Ein Blick zurück auf die letzten Jahre verdeutlicht, dass unsere politische Gesamtrechnung nicht nur gesellschaftliche Wahrscheinlichkeiten, sondern auch Unvorhersehbares, Überraschungen mit einkalkulieren muss. Dennoch ist die Richtung, die gerade bundespolitisch eingeschlagen wird, recht eindeutig: eine grün-ökologische Modernisierung unter konservativen, austeritätspolitischen Vorzeichen mit etwas mehr Staatsaktivität als bisher. Sprich: eine schwarz-grüne Koalition aus einer in der Pandemie sich wieder stabilisierenden CDU und den mit neuem Grundsatzprogramm selbstbewusst auf Regierungskurs steuernden Grünen ist das wahrscheinliche Szenario. Zweifellos ist das ein attraktives mehrheitsfähiges Projekt. Aber gewiss auch eines, in dem die Grünen ein großes sozialökologisches Potenzial links liegen lassen (Jäger 2020). Denn weder ökologisch noch sozial werden die Grünen mit der CDU/CSU ihre proklamierten Ziele umsetzen können. Als neue Regierungspartei könnten sie ein irgendwie vorwärtsweisendes Projekt repräsentieren, aber nicht länger glaubwürdig für eine konsequente (und soziale) Klimapolitik stehen – das spürt die Klimabewegung schon jetzt.
Ist eine Diskussion über die Bedingungen linker Zukunftsprojekte und linken Regierens vor schwarz-grünem Hintergrund deswegen hinfällig oder bitter notwendig? Ich würde sagen Letzteres. Denn erstens müssen wir die Bedingungen für eine Veränderung nach links selbst herstellen, mit realistischem Blick, was machbar ist. Die Frage, ob dabei ein wirklicher Richtungswechsel mit Regierung oder mit einem gesellschaftlichen Projekt vielversprechender ist, scheint mir einen falschen Gegensatz aufzumachen, denn beides wird kaum in Reinform gelingen. Zweitens sollte von links gerade in der derzeitigen Situation keine harte Abgrenzung zu den Grünen oder zur SPD erfolgen, obschon die Unterschiede in der Reichweite und Form unserer Politik deutlich werden müssen. Unsere Gegner sind nicht rot oder grün, sondern eine mögliche schwarz-grüne (oder grün-schwarze) Koalition sowie die radikale Rechte. Ein Gebrauchswert der LINKEN ist nun einmal auch, die SPD und vor allem die Grünen nicht einem kapitalistischen Modernisierungskurs zu überlassen bzw. ein „Weiter so“ zu erlauben. Es gilt also, deren eigene linken Ansprüche zu stärken, die sie nur mit der LINKEN, mit niemanden sonst umsetzen können. Aber wie geht das?
Aus Erfahrungen lernen
Unabhängig davon, ob die Umfragen es derzeit hergeben, macht es Sinn, über Erfahrungen des Regierens zu diskutieren. Ohne kritischen Blick, aber auch ohne Blick auf Gelingendes verschenken wir sonst viel. Nun kennen wir alle zahlreiche Beispiele, in denen linkes Regieren unter sehr ungünstigen Bedingungen nicht oder kaum gelang. Leere Kassen, ungünstige Kräfteverhältnisse in Gesellschaft und Koalitionsregierungen oder auch offene Feindschaften mit übermächtigen Gegnern wie der Troika in Griechenland haben linkes Regieren nahezu verunmöglicht. Das heißt: Weiterlesen Am Konflikt arbeiten. Über Zukunftsprojekte und linkes Regieren