Rückkehr des sozialistischen Modells

https://www.jungewelt.de/artikel/441508.100-jahre-sowjetunion-r%C3%BCckkehr-des-sozialistischen-modells.html

imago159675059.jpg

Victor Berezkin/ZUMA Wire/IMAGO

100. Geburtstag der »Pionierorganisation Wladimir Iljitsch Lenin« am 22. Mai 2022 in Moskau

Der erste Stellvertreter des Vorsitzenden der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF) und Dumaabgeordnete Juri Afonin sprach am 9. Dezember in Nischni Nowgorod auf einer wissenschaftlichen Konferenz, die dem 100. Jahrestag der Bildung der UdSSR gewidmet war. Die Konferenz wurde von der Russischen Akademie der Wissenschaften, der Bezirksregierung des Gebietes Nischni Nowgorod, der Russischen Politologengesellschaft, der Russischen Assoziation der Europa­forscher sowie der Nowgoroder Abteilung der Versammlung der Völker Russlands organisiert. Ihr Titel lautete: »Die UdSSR: eine vergangene Zukunft?«. Wir veröffentlichen die Rede Afonins in Auszügen, der komplette Redetext ist auf http://www.jungewelt.de dokumentiert.

Unser Parteiplenum, das Mitte November stattfand, hat die wichtigsten Merkmale und Aufgaben unserer Zeit eingehend analysiert und nachgewiesen: den Bankrott des neoliberalen globalistischen Entwicklungsmodells; den Wunsch seiner Anhänger, das gescheiterte räuberische Modell der kapitalistischen Weltregierung mit allen Mitteln – auch militärischen – aufrechtzuerhalten; die Relevanz des sozialistischen Erbes und die dringende Notwendigkeit, unter den heutigen schwierigen Bedingungen zu ihm zurückzukehren.

Die einzigartige Erfahrung der Sowjetunion, deren hundertsten Jahrestag wir am 30. Dezember begehen, ist in diesen schwierigen Zeiten wichtiger und aktueller denn je. Einer der überzeugendsten Beweise dafür ist die in soziologischen Umfragen ermittelte Massenstimmung. Es zeigt sich, dass sie von Jahr zu Jahr immer prosowjetischer wird.

Nach jüngsten, großangelegten Meinungsumfragen über die Einstellung unserer Gesellschaft zur Sowjetära halten drei Viertel der Bevölkerung sie für die beste in der russischen Geschichte. Nur 18 Prozent sind mit dieser Einschätzung überhaupt nicht einverstanden. 65 Prozent der Befragten bedauern den Zusammenbruch der UdSSR vorbehaltlos. Genauso viele sind davon überzeugt, dass die Katastrophe hätte vermieden werden können.

Weiterlesen Rückkehr des sozialistischen Modells
Werbung

Der Ukraine-Krieg – was vorher geschah

Proteste gegen den Putsch in Kiew in Donezk im April 2014

Russlands Einmarsch in die Ukraine als Bruch des Völkerrechts, als Zeitenwende. Die Begriffe sind vielfältig. Wir haben die Vorgeschichte des aktuellen Krieges mehrfach thematisiert und ergänzen unsere Berichterstattung mit der Veröffentlichung eines Vortrags zur Vorgeschichte des Krieges.

Proteste gegen den Putsch in Kiew in Donezk im April 2014Foto:  Andrew Butko , Lizenz: CC by-saMehr Infos

Der Text ist ein Vortrag, der am 5. April im ND-Gebäude in Berlin gehalten wurde (siehe Video). Er wurde für die Veröffentlichung um wenige Abschnitte gekürzt.

Russland griff am 24. Februar ohne Vorwarnung die Ukraine an. Dieser Überfall auf den Nachbarn hat überrascht, nachdem Russland zuvor ständig behauptet hatte, seine Truppenzusammenführung – von 150.000 Soldaten war zuletzt die Rede – nahe der ukrainischen Grenze diene lediglich Übungszwecken, ein Angriff sei nicht geplant. Allein dieser Wortbruch löst große Ängste und Verunsicherungen über die Glaubwürdigkeit Russlands aus. Das ohnehin schwache Vertrauen scheint gänzlich zerrüttet. Die zuvor angekündigten Sanktionen sind immens. Russland nimmt sie auf sich, was eine langfristige Schädigung der Wirtschaft zur Folge hat. Jetzt, 41 Tage nach Kriegsbeginn, sind die von Russland angerichteten Schäden für die ukrainische Bevölkerung sehr, sehr groß und sehr, sehr schmerzhaft. Der Krieg ist noch nicht zu Ende. Allein 10 Millionen Menschen mussten ihr Zuhause zwangsweise verlassen. Das ist jeder vierte Einwohner oder vierte Einwohnerin. Vier Millionen von ihnen suchten Sicherheit im Ausland. Die materiellen Schäden sind noch nicht zu ermessen. Ausgegangen wird von einem Rückgang der ukrainischen Wirtschaftsleistung um 35 Prozent in diesem Jahr.1 Ein Drittel der Betriebe liegt lahm. Die Folgen der Sanktionspolitik außerhalb des Landes in Europa, Afrika und Asien sind überhaupt nicht absehbar. Die Frage stellt sich, was kann es für einen Grund geben, die Verantwortung für diese Katastrophe zu übernehmen? Hat es keine Alternative gegeben? Muss es nicht eine Alternative geben angesichts dieses unermesslichen Leidens, die dieser Angriffskrieg auslöst?

Am 24. Februar war in den NATO-Staaten das Urteil gefällt: Russland bricht das Völkerrecht. Der Krieg sei durch nichts zu rechtfertigen. Die Verurteilung für den Angriff ist damit umfassend. Die drastischen Sanktionen seien a verdient und b notwendig, um den Krieg schnellstmöglich zu beenden. Derjenige, der ihn als einziger beenden könne, sei der russische Präsident. So lautet das gängige Narrativ hierzulande.

Folglich war die Zustimmung zu Scholz‘ gigantischem Aufrüstungsprogramm groß, selbst Waffenexporte in Kriegsgebiete, über Jahrzehnte undenkbar, wurden urplötzlich bejubelt.

Klarer Völkerrechtsbruch durch Russland? 

Beginnen wir beim Vorwurf des Völkerrechtsbruchs. Er liegt dann vor, wenn das Gewaltverbot der UN-Charta in Artikel 2, Absatz 4 verletzt wird. Der darin formulierte zentrale Grundsatz verbietet die Anwendung von Gewalt gegen das Territorium eines anderen Staates. Der Grundsatz garantiert die Unversehrtheit des Territoriums eines jeden UNO-Mitglieds. Der Angriffskrieg sei völkerrechtswidrig, ist die durchgehende Behauptung in der westlichen Öffentlichkeit und auch in der Friedensbewegung, nicht nur hierzulande. Wenn es keine völkerrechtlichen Vorschriften gibt, die dem entgegenstehen, dann ist es so.

Weiterlesen Der Ukraine-Krieg – was vorher geschah

USA treiben Keil zwischen Deutschland und Russland

https://www.vdi-nachrichten.com/wirtschaft/politik/usa-treiben-keil-zwischen-deutschland-und-russland/

UKRAINE 22. Mai 2015 Harald Weiss 

Das Ziel der US-amerikanischen Politik sei es, eine europäische Supermacht und die Annäherung zwischen Deutschland und Russland zu verhindern, sagt der amerikanische Politikwissenschaftler George Friedman, Gründer und Leiter der Denkfabrik Stratfor. Diese Absicht bestimme auch den aktuellen Konflikt um die Ukraine.

Schwieriges Verhältnis: Die USA und Russland tragen in der Ukraine einen hegemonialen Konflikt aus, sagt ein US-Beobachter. Die Kanzlerin sitzt zwischen den Stühlen. 
Foto: Kay Nietfeld/dpa

Die USA wollen in der Ukraine einer liberalen Gesellschaft zum Durchbruch verhelfen. Diese Vorstellung prägt in Deutschland das Bild vom Ukrainekonflikt. Der amerikanische Politikwissenschaftler George Friedman ist jedoch überzeugt, dass es in der Ukraine weniger um den Aufbau einer freien Gesellschaft geht, sondern um amerikanische und russische Hegemonial-Interessen. Doch damit nicht genug, denn es soll sich darüber hinaus auch um gegenseitige Vergeltungsaktionen zwischen den USA und Russland, sowie um direkte Machtpolitik der Amerikaner gegenüber Deutschland und der EU handeln.

In einem Vortrag vor dem renommierten Chicago Council on Global Affairs sagte Friedman: „Deutschland bildet zusammen mit Russland eine ernsthafte Gefahr für die Weltmachtpolitik der USA.“ Folglich würden die Amerikaner alles unternehmen, um eine Annäherung dieser beiden Länder zu torpedieren. Das würde sich insbesondere in der Ukraine zeigen, wo die USA immer stärker direkt eingreifen und sich über die Politik der Zurückhaltung von Kanzlerin Merkel hinwegsetzen würden.

Weiterlesen USA treiben Keil zwischen Deutschland und Russland

Anmerkungen zum Ukraine-Krieg

https://das-blaettchen.de/2022/04/anmerkungen-zum-ukraine-krieg-61183.html

von Bernhard Romeike

Gerade kam per E-Mail eine Einladung zu einer Zoom-Konferenz. Darin hieß es: „Einladung an alle, die einen neuen Weltkrieg verhindern wollen. Die gegenwärtige Konfrontationsstimmung in Europa hat damit zu tun, dass in den letzten Monaten sichtbar wurde, dass sich die Welt verändert hat. Die westliche Vorstellung einer ‚regelbasierten Weltordnung‘ war in den vergangenen 70 Jahren geprägt von der veralteten Idee einer Post-Industriellen Welt, die, wie der Name schon sagt, auf industrielle Entwicklung verzichtet und sich stattdessen von einem allgegenwärtigen Finanzimperium dirigieren lässt. Noch im November letzten Jahres forderte das Davos-Forum vom Rest der Welt den Verzicht auf Entwicklung. […] Das ist gescheitert.“ Woher man meine Mail-Adresse hatte, konnte ich nicht erfahren. Absender ist ein sogenanntes Schiller-Institut. Das ist in den USA beheimatet, hat eine deutschsprachige Dependance und geht auf den Politiker und „Aktivisten“ Lyndon LaRouche zurück. Der starb hochbetagt 2019 und galt als rechts und als „Verschwörungstheoretiker“. Das ändert jedoch nichts daran, dass die oben zitierte Beschreibung eine präzise Einschätzung der Lage ist, in der wir uns derzeit befinden. Hinzu kommt: Wer will schon nicht dazu beitragen, einen neuen Weltkrieg zu verhindern?

Russland hat einen Aggressionskrieg gegen die Ukraine begonnen, der bereits innerhalb weniger Wochen große Opfer gekostet hat, an Menschenleben, materiellen Werten und in Gestalt von Millionen Flüchtlingen. Kanzler Olaf Scholz hat nun am 6. April 2022 verkündet: „Es muss unser Ziel sein, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnt.“ Auch wenn heute „die Demokratie“ beschworen wird, es ist im Verlaufe der vergangenen fast 120 Jahre nunmehr der dritte deutsche Kanzler, der dies zum Ziel deutschen Vorgehens erklärt.

Die US-amerikanische Friedensbewegung bestätigt Scholz’ Anliegen auf ihre Weise. Bruce K. Gagnon, Koordinator eines „Global Networks“ gegen Waffen und Atomkraft im Weltraum, aus Brunswick in Maine schrieb dieser Tage: „Die NATO befindet sich de facto im Krieg mit Russland und benutzt die Ukraine als Werkzeug dafür.“ Und weiter: „Alles, was die NATO betrifft, ist Heuchelei. Sie erklären sich zur ‚Friedensallianz‘, aber ihre Geschichte ist nichts als Krieg. Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien und nun die Ukraine, sie alle offenbaren, dass die NATO in der Tat die Piraten-Macht ist, um die Globalisierung der Großkonzerne umzusetzen. Job der NATO ist es, die Unterordnung unter die Forderungen der westlichen Großfirmen zu erzwingen.“ Nun mag man einwenden, der Mann sei weit weg von der Kriegswirklichkeit in der Ukraine und den Gewaltakten der russischen Kriegsführung. Aber er ist nahe dran an der globalen Politik und Strategie der USA. Francis A. Boyle, Rechtsprofessor an der Universität von Illinois, machte (ebenfalls am 6. April) darauf aufmerksam, dass das Pentagon es „ausdrücklich und öffentlich zurückgewiesen hat, die Anklagen von Biden und Blinken über russische Kriegsverbrechen in Butscha zu unterstützen“. Joseph Gerson, Quäker und bekannter Friedensaktivist aus den USA, kommentierte dies mit den Worten: „wahrscheinlich, weil sie selber so viele verübt haben“.

Weiterlesen Anmerkungen zum Ukraine-Krieg

Im zerstörten Mariupol

https://www.jungewelt.de/artikel/424249.reportage-im-zerst%C3%B6rten-mariupol.html

YXC3Q.jpg

ALEXANDER ERMOCHENKO/REUTERS

»Überall verbrannte, zerstörte, bombardierte Gebäude«, hier im Süden der Stadt am Montag

Guillermo Quintero ist Filmemacher und berichtet für junge Welt aus der Ukraine.

Übersetzung aus dem Spanischen: Frederic Schnatterer

Bevor ich in die ukrainische Hafenstadt Mariupol fahre, spreche ich mit einem jungen spanischen Journalisten, der gerade dort gewesen ist. Er erzählt mir unter anderem davon, dass er »Dutzende Menschen befragt« habe, die »alle bestätigt haben, dass ›Asow‹ wahllos mit Scharfschützen auf Zivilisten schießt«. Das neonazistische »Asow«-Bataillon hat in Mariupol sein Hauptquartier und ist Teil der ukrainischen Nationalgarde.

Nach einer Menge Papierkram und nachdem wir Helme und kugelsichere Westen auftreiben konnten, erhalten wir die Genehmigung, nach Mariupol zu fahren. Doch die Erlaubnis kommt so plötzlich, dass wir nicht einmal Zeit haben zu tanken. Unser unermüdlicher Leiter und Übersetzer erzählt: »Mariupol ist eine Hafenstadt mit etwa einer halben Million Einwohnern, von großer Bedeutung für Donezk. Auch hier fand 2014, nach dem Massaker von Odessa, ein Referendum über die Unabhängigkeit statt.« Und auch dort hätten dabei die Unabhängigkeitsbefürworter gewonnen. »Im selben Jahr begann die Konfrontation mit der Ukraine, und Pro-NATO-Kräfte drangen in Mariupol ein.« Seitdem lebten die Menschen unter dem Kommando des »Asow«-Bataillons in Angst.

Nachdem wir viele Kontrollpunkte passiert haben und wegen des schweren Beschusses Umwege auf uns nehmen mussten, erreichen wir die Stadt. Das erste, was ich sehe, ist ein großer ehemaliger Verbrauchermarkt. Hier werden humanitäre Hilfsgüter aus Russland verteilt, es gibt Tausende Menschen, Warteschlangen, Krankenwagen und Leute, die nach vermissten Angehörigen suchen. Dann die brutale Zerstörung von Mariupol. Überall verbrannte, zerstörte, bombardierte Gebäude. Es ist ein danteskes Bild einer einst blühenden Stadt. Zwischen den Trümmerhaufen liegen Abfälle, Spielzeug, Gebrauchsgegenstände, ich sehe auch ein totes Tier, das ich nicht identifizieren kann.

Wir erreichen einen mehr oder weniger sicheren Punkt, schwere Artillerie tönt etwa 700 Meter entfernt von hier. Wir können filmen und den Leuten frei Fragen stellen. Eine Familie kocht Tee und etwas, das wie Suppe aussieht, auf einem behelfsmäßigen Grill. Ein älterer Mann bittet mich um Essen – zum Glück ist mit uns zusammen ein Transporter mit humanitärer Hilfe gekommen. Auf der einen Seite der Straße fegt eine Frau rund um die Ruinen, vielleicht, um wieder so etwas wie Normalität herzustellen. Ich frage eine Familie, warum sie trotz der Artillerieangriffe hierbleibt: »Wir können nirgendwo hin. Unser Haus ist hier, und wir haben kein Geld oder irgend etwas außerhalb von hier.« Außerdem wollten sie weiter nach verlorengegangenen Verwandten suchen, wird mir erklärt.

Weiterlesen Im zerstörten Mariupol

Unbedingter Kriegswille

https://www.jungewelt.de/artikel/424235.massakerbilder-unbedingter-kriegswille.html

3.jpg

Vojtech Darvik Maca/CTK Photo/IMAGO

Medienwirksame Präsentation in Butscha: Getötete in Leichensäcken (5.4.2022)

Hintergrund: UN-Sicherheitsrat

Aufklärung über Butscha? Nicht im UN-Sicherheitsrat, wenn es nach dem Willen der Westmächte geht. Zweimal lehnte Großbritannien, das den Ratsvorsitz führte, am Wochenende Anträge Russlands auf eine Sondersitzung ab. Sie kam erst am Dienstag zustande – laut dem russischen UN-Botschafter Wassili Nebensja beispiellos in der Geschichte des Gremiums.

Neun Busse wurden am Dienstag in Kiew bereitgestellt, um Blogger und Journalisten in den Vorort Butscha, aus dem seit Sonnabend Fotos von einem Massaker an der Zivilbevölkerung verbreitet werden, zu fahren. Das Resultat dieser eingebetteten Tour ließ sich am Mittwoch auch in deutschen Zeitungen nachlesen, in denen allerdings das Urteil über die Urheber des Mordens vorab gefällt war: ein Kriegsverbrechen der Russen. Das hatte der Kanzler vorgegeben. Am Sonntag formulierte Olaf Scholz (SPD): »Diese Verbrechen des russischen Militärs müssen wir schonungslos aufklären.« Er verlangte, »dass internationale Organisationen wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz Zugang erhalten zu diesen Gebieten, um die Greueltaten unabhängig zu dokumentieren«. Bis zum Donnerstag war nicht zu hören, dass internationale Sachverständige vor Ort sind. Unterdessen werden weiter Spuren und Beweismittel vernichtet.

Eskalation des Krieges

Wer Aufklärung fordert, die Schuldigen aber angeblich bereits kennt, erinnert mehr an »Sender Gleiwitz« 1939 oder an Racak im Januar 1999. Mit Bildern von Leichen aus dem jugoslawischen Dorf wurde erstmals ein Angriffskrieg des Westens per Internet faktisch erzwungen. Der Ruf nach Klärung erscholl in den NATO-Staaten zusammen mit der Schuldzuweisung an Serbien. Besonders taten sich der grüne deutsche Außenminister Joseph Fischer und SPD-Kriegsminister Rudolf Scharping hervor. An der Spitze der Fälscher stand, wie sich herausstellte, der US-Chef»aufklärer« William Walker.

Das vorweggenommene Ergebnis der geforderten Ermittlungen ist damals wie heute ein Maßstab, um »Aufklärung« des Westens zu beurteilen: Es geht um eine längst beschlossene Eskalation. Racak war 1999 der »Wendepunkt«, von dem ab Fischer und Scharping mit ihren Lügen über serbische »Greuel« und »Völkermord« den illegalen NATO-Krieg gegen Jugoslawien gemeinsam mit den USA vom Zaun brechen konnten, ohne dass es in der Bundesrepublik zum Aufstand kam. Im jetzigen Krieg ist Butscha nach übereinstimmender Auffassung von FAZ bis Tagesspiegelerneut ein »Wendepunkt«. Noch wagen die Frontorgane der antirussischen Propagandamaschinerie nicht, den Angriff auf Russland zu proklamieren, aber sie bewegen sich gemeinsam mit der Bundesregierung und den Koalitionsparteien in diese Richtung. Die EU-Kommission hat den Stopp von Kohleimporten aus Russland schon auf den Weg gebracht, Öl und Gas sollen folgen. Am Donnerstag verkündet die Süddeutsche Zeitung: »Staatspleite Russlands wird immer wahrscheinlicher.« Das war offenbar etwas voreilig, aber wichtiger ist: Die Lieferung von Panzern aus NATO-Staaten an die Ukraine hat begonnen. Was vor Wochen noch nicht möglich gewesen sei, jubelte der Tagesspiegel am selben Tag, das habe nun die »emotionale Wucht« der Bilder bewirkt.

Weiterlesen Unbedingter Kriegswille

Chinas geopolitischer Aufstieg

https://www.nd-aktuell.de/amp/artikel/1162252.chinas-grossmachtansprueche-chinas-geopolitischer-aufstieg.amp.html

Im Schatten der Ukraine-Krise entwickelt sich die Volksrepublik zum weltpolitischen Akteur ersten Ranges

19.03.2022

US-Präsident Joe Biden spricht mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping über den Ukraine-Krieg.

AFP/Mandel Ngan

Rom war im Laufe der Jahrtausende Schauplatz zahlreicher historischer Ereignisse. Die italienische Hauptstadt steht auch als Symbol für den Aufstieg und Fall großer Imperien. Welches Imperium sich aktuell im Aufstieg oder Fall befindet, war am Montag dieser Woche nicht Gesprächsgegenstand, als sich am Tiber Vertreter Chinas und der USA zu Unterredungen trafen. Das rasante Erstarken der Volksrepublik – nicht nur als wirtschaftliche, sondern auch als geopolitische Supermacht – war schon daran ersichtlich, dass an dem Treffen zu Beginn der Woche der ranghöchste Außenpolitiker der Kommunistischen Partei Chinas, Yang Jiechi, und der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jacob Sullivan, teilnahmen. Ursprünglich geplant war eine Unterredung, um die angespannten Beziehungen zwischen den beiden Supermächten neu zu organisieren. Doch durch den Ausbruch des Krieges in der Ukraine wurden die Gespräche natürlich von diesem Konflikt überschattet. Zum ersten Mal steht dabei Peking im Zentrum der Bemühungen westlicher Staaten, einen weltpolitischen Konflikt zu lösen. Dies war weder im Irak oder Syrien noch in Afghanistan der Fall.

Wir sind eine Genossenschaft

Wenn Sie nd-Genossin oder -Genosse werden wollen, melden Sie sich unter www.nd-genossenschaft.de an und wir schicken Ihnen alle Termine und Informationen über die Genossenschaft.

Alternativ kontaktieren Sie uns unter:
E-Mail: genossenschaft@nd-online.de
Postanschrift: Tageszeitung »nd«
Stichwort: nd-Genossenschaft i.G.
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin

Wer aber in Washington, London oder Brüssel davon ausging, China würde nach der Pfeife des Westens tanzen, wurde schnell von den Realitäten eingeholt. Die außenpolitische Denkschule Pekings basiert zunehmend auf den Theorien von Fang Ning, einem der führenden politischen Theoretiker Chinas. Er analysierte bereits im Jahr 1999, dass bei genauer Betrachtung auffällt, dass seit dem Triumph der Alliierten über Deutschland und Japan im Zweiten Weltkrieg kein einziger Krieg mehr von den USA nachhaltig gewonnen wurde. Ganz von den konventionellen Großeinsätzen in Korea und Vietnam abgesehen, so gab es nirgendwo einen Sieg zu vermelden, nicht einmal bei den Scharmützeln von Somalia, beim Einsatz der Contras in Nicaragua, vom Debakel John F. Kennedys in der Schweinebucht ganz abgesehen. Im Südlibanon, im Irak, in Afghanistan hat sich längst bestätigt, dass die konventionelle Kriegsführung der Nato-Stäbe, aber auch Russlands und Israels, mit der Abnutzungsstrategie, die den Kern des asymmetrischen Krieges bildet, nicht zurechtkommt, so der Politologe und außenpolitischer Vordenker Pekings. Fang Ning reflektierte in seinen außenpolitischen Analysen einen Wesenskern des chinesischen Blickes auf die Welt.

Weiterlesen Chinas geopolitischer Aufstieg

Daheim ist, wo der Hauptfeind steht

https://www.jungewelt.de/artikel/422482.krieg-in-der-ukraine-daheim-ist-wo-der-hauptfeind-steht.html

12-13.jpg

Viele entdecken ihre Friedensliebe erst dann, wenn zur Abwechslung mal wer anders als die NATO Bomben wirft. Demgemäß ist Russland nichts als Täter, die Ukraine nichts als Opfer und der sogenannte Westen nichts als Beobachter, der jetzt aber schnell helfen soll. Wer nach Zusammenhängen fragt, gilt als Kriegsrechtfertiger. (Kundgebung in Kiel, 26. Februar)

Wer dieser Tage ein Gedächtnis hat, braucht für Anfeindungen nicht zu sorgen. Man räumt schon irgendwie ein, dass der Ukraine-Krieg eine Vorgeschichte habe, die NATO seit 1991 Expansion gen Osten betreibe und ihrerseits auf eine stattliche Geschichte militärischer Aggression zurückblicken könne. Doch findet man, es sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, all das zu erwähnen. Vermutlich, weil in der Geopolitik nichts mit irgendwas zusammenhängt.

Der Vorwurf des Whataboutism ist schneller da, als man »Druschba« sagen kann. Und er kommt gerade von Leuten, die jetzt Waffenlieferungen und Aufrüstung herbeirufen. Oder gleich Kampfeinsätze. In jedem Fall von der Front aller, die die einseitige Sicht auf den Konflikt zu einer Sache des Gewissens erhoben haben und mit Macht ein Bild durchsetzen, demzufolge Russland nichts als Täter, die Ukraine nichts als Opfer und der sogenannte Westen nichts als Beobachter sei. Wer nach Zusammenhängen fragt, gilt ihnen als Kriegsrechtfertiger. Während offensichtlich ist, dass sie ihre Friedensliebe immer erst dann entdecken, wenn zur Abwechslung mal wer anders als die NATO Bomben wirft. Und weil sie nicht länger verbergen können, dass ihr kategorischer Imperativ in Scherben liegt und sie systematisch mit zweierlei Maß messen, bügeln sie jeglichen Hinweis darauf als Whataboutism weg.

Große und kleine Geister

Bevor man seine Kampflinien ordnet, sollte man sich im Kopf ordnen. Denn dieser Schritt kann später nicht mehr nachgeholt werden. Tun wir für einen Moment mal so, als wüssten wir gar nichts; naiv hinsehen statt elaboriert glotzen: Den Bürgerkrieg in einem benachbarten Land zum Vorwand nehmen, dessen Souveränität zu verletzten, es anzugreifen und den von der unterdrückten Minderheit bewohnten Teil mit Gewalt aus ihm herauszulösen, um diesen militärischen Akt dann nachträglich durch ein auf diesen Teil des Landes beschränktes Referendum zu legitimieren – in dieser Beschreibung lässt sich, solange man keine Namen nennt, sowohl der Krieg in der Ukraine als auch der im Kosovo wiedererkennen. Russland vollzieht heute Schritte, die die NATO seit Jahrzehnten vortanzt.

Und ebenso auf dem Gebiet der psychologischen Kriegführung. Schon länger herrscht hierzulande sorgfältig eingeübte Empörung über deutschsprachige Ableger russischer Staatsmedien und sogenannte Trollfabriken, die die Bevölkerung der westlichen Staaten beeinflussen. Man fühlt sich zersetzt und weist zudem darauf hin, dass die russische Propaganda keineswegs bloß die antiimperialistische Linke adressiert, sondern auch rechte Kreise, wodurch eine oppositionelle Querfront Anschub bekomme. Halten wir fest: Ein Land versucht durch mediale Mittel und direkte finanzielle Förderung eine politisch disparate (links-rechte) Opposition eines anderen Landes zu stärken, betreibt also Zersetzung mit dem langfristigen Ziel, dort einen politisch genehmen Kurs zu erzwingen. Das ist nun nicht bloß gängige Praxis der US-amerikanischen Außenpolitik seit 1945, es ist exakt das, was westlicherseits und sichtbar ab 2004 auf dem Kampffeld Ukraine betrieben wurde.

Die kollektive Panik, die die Deutschen gerade erfasst – beständig schwankend zwischen Friedenssehnsucht und Bereitschaft zum Krieg –, lässt sich demnach auch als Ausdruck einer Kränkung deuten. Man geht unbewusst davon aus, dass es das natürliche Recht des Westens sei, andere Länder zu überfallen oder zu zersetzen, um dort eine Lebensweise zu etablieren, die der eigenen entspricht, und bei dieser Gelegenheit auch gleich die Grundlagen für wirtschaftliche Investitionen zu schaffen. Wieviel postkoloniale Anmaßung in dieser Sicht der Dinge steckt, wird offenbar, sobald jemand es dem Westen gleichtut, dem das einfach nicht zustehe, ein postzaristischer Autokrat zum Beispiel. Ein zweiter Antrieb scheint in der deutschen Geschichte zu liegen. Die Deutschen haben mit den Russen ebenso ihr Issue wie mit den Juden; sie suchen in der Jetztzeit Möglichkeiten, die Last der Vergangenheit abzutragen, suchen, um ein Wort von Eike Geisel zu nehmen, Wiedergutwerdung. Die Ukrainer geraten den Deutschen dabei zum Stellvertretervolk, durch das die Nachfahren der Täter sich zum Opfer hin identifizieren können. Der dritte Antrieb der Angst scheint tatsächlich Angst zu sein. Authentische Sorge darum, dass Europa zum weiten Kriegsfeld werden und der Russe demnächst an den Seelower Höhen stehen könnte. Bloß setzt diese Angst einerseits ein völliges Verkennen der eigentlichen militärischen Kräfteverhältnisse zwischen Russland und den transatlantischen Staaten voraus, wie sie zum andern wiederum eurozentristisch ist. Kriege und Massenfluchten – weitaus schlimmer, weitaus größer als jetzt – waren und sind in anderen Teilen der Welt an der Tagesordnung, nicht selten von eben den westlichen Ländern betrieben, deren Bewohner jetzt echt Angst kriegen.

Weiterlesen Daheim ist, wo der Hauptfeind steht

Antikriegsmanifest von Konstantin Wecker auf seiner Utopia-Tournee, 2. März 2022

https://wecker.de/de/weckers-welt/item/890-Antikriegsmanifest-von-Konstantin-Wecker-auf-seiner-Utopia-Tournee-2-Maerz-2022.html

03.03.2022

Es sind schreckliche und erschütternde Zeiten: Als Antimilitarist und Pazifist bin ich fest davon überzeugt, dass nur eine internationale Friedens- und Antikriegsbewegung diesen verbrecherischen Angriffskrieg von Putins Machtapparat gegen die Menschen in der Ukraine stoppen kann und wird. Dafür müssen wir aufstehen und auf die Straßen und Plätze dieser Welt ziehen, auch um die Gefahr eines noch viel größeren Krieges zu verhindern!

Meine Gefühle und Gedanken und meine ganze Empathie und meine Solidarität sind bei den Menschen, die in der Ukraine verletzt und getötet werden: stündlich müssen mehr Menschen um ihr Leben fürchten. Es sind immer die Menschen, die Natur und die Tiere, die unter den Kriegen am meisten leiden.

Ich bin verzweifelt und doch sage ich Euch: Hoffnung machen mir die mutigen Menschen in Russland und weltweit: Es werden aktuell immer mehr Menschen in Russland, die unter den schwierigsten Bedingungen gegen alle Repressionen eine Antikriegsbewegung aufbauen. Auch ihnen gehört unsere volle Unterstützung und Solidarität. Hoffnung machen mir auch alle mutigen Menschen in der Ukraine und weltweit, die sich nicht von autoritären Herrschern unterwerfen lassen wollen. Deshalb: Grenzen auf für alle Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, aber bitte wirklich für alle Menschen: auch für die schwarzen Student*innen, die dort seit teils vielen Jahren leben und studieren. Aber natürlich auch Grenzen auf für alle Menschen aus Syrien, Kurdistan, Afghanistan, Irak, Jemen oder der Türkei, die u.a. auch vor deutschen Bomben und Waffen und vor den Bomben des großrussischen Putin-Imperiums oder des Nato-Imperiums aus ihren Ländern fliehen.

Lasst uns unsere FriedensfreundInnen in Russland unterstützen: Es braucht dort eine Massenmobilisierung gegen den Aggressionskrieg, eine Aufforderung an alle russischen Soldaten, sofort den Befehl zu verweigern und zu desertieren. Nur eine Revolte unter den russischen Soldaten kann diesen Krieg sofort stoppen! Und die Älteren unter uns werden sich erinnern: So war es auch in Vietnam – der Anfang vom Ende des US-Angriffskrieges damals war die massenhafte Desertion und die Revolten der einfachen US-Soldaten gegen ihre Offiziere und Generäle.

Weiterlesen Antikriegsmanifest von Konstantin Wecker auf seiner Utopia-Tournee, 2. März 2022

Ukraine-Krise Die USA sind nicht der Nabel der Welt

https://www.rosalux.de/news/id/46080

NACHRICHT | 07.03.2022

Ein Brief an die Linke im Westen, über eure Fehler und unsere eigenen.

07.03.2022

Rosa-Luxemburg-Stiftung: zur Startseite
Ein Demonstrant steht mit einer Ukraine-Flagge vor dem Weißen Haus in Washington D.C., USA.  Foto: picture alliance / NurPhoto | Allison Bailey

Wir in der postsowjetischen Welt haben viel von euch gelernt. Wenn ich «wir» sage, meine ich die versprengten oder lose organisierten kommunistischen, demokratisch-sozialistischen, anarchistischen und feministischen Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen in Kiew, Lviv, Minsk, Moskau, Sankt-Petersburg und all den anderen Orten, die nun in Krieg und Polizeigewalt versinken. Nachdem unsere eigene marxistische Tradition verknöchert war und nur noch ein entwertetes Nischendasein fristete, lasen wir englischsprachige Literatur über Das Kapital. Nach dem Untergang der Sowjetunion hielten wir uns an eure Analysen der amerikanischen Weltordnung, des neoliberalen Akkumulationsregimes und des westlichen Neo-Imperialismus. Anregungen empfingen wir von den sozialen Bewegungen des Westens, von der globalisierungskritischen Bewegung bis zu den Antikriegsprotesten, von Occupy bis zu Black Lives Matter.

Wir schätzen eure Versuche, unsere Weltgegend theoretisch zu deuten. Zurecht habt ihr darauf hingewiesen, dass die USA in Russland und andernorts während des postsowjetischen Transformationsprozesses fortschrittliche Entwicklungsmöglichkeiten behindert hat. Es ist auch korrekt, dass es den USA und Europa nicht gelungen ist, ein Sicherheitssystem zu schaffen, das Russland und andere postsowjetische Länder einbezöge. Unsere Länder sind es seit langem gewohnt, sich anzupassen, Zugeständnisse zu machen und sich erniedrigenden Bedingungen zu fügen. Eure Haltung war bei alledem geprägt von einer Sympathie, die an Romantisierung grenzte, was wir bisweilen stillschweigend geduldet haben.

Volodymyr Artiukh ist Sozialanthropologe und forscht zur Arbeiterklasse und Migration in Osteuropa.

Jetzt aber, da Charkiv unter russischem Beschuss liegt, zeigt sich die Beschränktheit dessen, was wir von euch übernommen haben. Denn euer Wissen habt ihr euch unter den Bedingungen der amerikanischen Hegemonie erarbeitet, die an Russlands blutroten Linien an ihre Grenzen stößt. Die USA sind nicht länger in der Lage, ihre eigenen Interessen als übergreifende Interessen darzustellen, die auch im Sinne Russlands und Chinas wären. Sie können Zustimmung militärisch nicht erzwingen und ihre wirtschaftlichen Druckmittel werden schwächer. Obwohl viele von euch daran glauben, ist Russland keineswegs länger in einer Position, in der es nur reagiert, sich anpasst und dem Westen entgegenkommt. Es hat seine Handlungsmacht zurückgewonnen und ist fähig, seine Umgebung nach dem eigenen Willen zu gestalten. Dabei bedient sich Russland anderer Methoden als die USA, denn es stützt sich vor allem auf rohe Gewalt, anstatt unter Einbeziehung von «soft power» und wirtschaftlicher Macht ein hegemoniales Projekt zu verfolgen. Doch wie ihr alle aus dem Auftreten der USA in Lateinamerika, Irak, Afghanistan und vielen anderen Ländern wisst, ist rohe Gewalt durchaus ein wirkungsvolles Instrument. Russland ahmt die Zwangsmethoden des amerikanischen Imperialismus nach, ohne dessen hegemonialen Kern beizubehalten.

Weiterlesen Ukraine-Krise Die USA sind nicht der Nabel der Welt