Bundesausschuss FriedensratschlagVeröffentlicht am von admin30. Juni 2022
Positionspapier des Bundesausschusses Friedensratschlag – Juni 2022
Die Hoffnungen vieler nach dem Ende des Kalten Krieges auf eine friedlichere Welt haben sich nicht erfüllt. Durchgängig herrschte in den letzten Jahren in über 30 Ländern weltweit Krieg. Wirtschaftliche Erpressungspolitik, Blockaden und Handelskriege zerstören weltweit ökonomische und ökologische Existenzgrundlagen. Immer mehr Menschen sind wegen Krieg, Armut und Umweltzerstörung auf der Flucht. Mit der Ukraine kam ein weiterer Krieg hinzu, mit dramatischen Auswirkungen auf Europa und die ganze Welt.
Um diese verhängnisvolle Entwicklung zu wenden, müssen wir zurück zu den friedenspolitischen Ansätzen der 1970er und 1980er Jahre und den mit konkreten Abkommen verbundenen Bestrebungen in den 1990er Jahren nach Ende des Kalten Krieges, die durch die Expansionspolitik der NATO zu Grabe getragen wurden. Eine Entspannungspolitik und Sicherheitsarchitektur, die die Sicherheitsinteressen aller Konfliktparteien berücksichtigt, ist alternativlos. Angesichts gigantischer globaler Probleme – Hunger und Elend, soziale Ungleichheit, Erderwärmung und Artensterben, Verseuchung von Böden, Flüssen und Meeren – sind Krieg und Aufrüstung unverantwortlich. Ohne internationale Zusammenarbeit und die Aufwendung aller zur Verfügung stehenden Mittel sind die globalen Probleme nicht zu lösen.
Sicherheit für uns Menschen kann nicht durch Hochrüstung und militärische Interventionen erreicht werden, sondern nur durch eine gerechte Politik und nachhaltiges, vorausschauendes Handeln. Ein Streben nach Dominanz, unfaire Handelsbeziehungen und die politisch geschaffene immer größere Kluft zwischen Arm und Reich stehen dem diametral entgegen.
Wir sind für eine neue Politik der Zusammenarbeit statt Konfrontation, für eine Friedenspolitik der vertrauensbildenden Maßnahmen, die zu Entspannung und Abrüstung führt, zu einem System gemeinsamer Sicherheit und kontrollierter Abrüstung in Europa und weltweit, für eine Friedenspolitik, wie sie 1990 mit der Charta von Paris und folgenden Abkommen angestrebt worden war.
Statt der Berufung auf eine westlich definierte regelbasierte Ordnung fordern wir die Beachtung des Völkerrechts von allen Seiten und ein Ende der Doppelmoral.
Krieg zwischen NATO und Russland
Krieg als Mittel der Politik lehnen wir grundsätzlich ab. Wir haben uns stets entschieden dafür eingesetzt, Krieg als Mittel der Politik zu verhindern, auch bei dem Konflikt zwischen NATO, Ukraine und Russland. Der russische Einmarsch in die Ukraine ist daher ein Rückschlag für alle, die sich für Frieden engagiert haben – und gleichzeitig eine Herausforderung für die Friedensbewegung, ihre Bemühungen für zivile Lösungen zu intensivieren. Nicht zu viel Entspannungspolitik ist das Problem gewesen, sondern zu wenig.
Als Bürger:innen eines NATO-Staates richten wir unsere Kritik in erster Linie an die NATO-Staaten. Denn der Krieg hätte verhindert werden können und müssen. An eindringlichen Warnungen, auch von zahlreichen führenden westlichen Außenpolitikern und Experten, dass die Missachtung essentieller Sicherheitsinteressen Russlands eine solche Reaktion provozieren könnte, hat es nicht gefehlt. Wir weisen zudem die Doppelmoral zurück, mit der ausgerechnet die Regierungen der USA und ihrer Verbündeten den russischen Einmarsch als Völkerrechtsbruch anprangern, sich als Richter aufspielen und härteste Sanktionen verhängen, nachdem sie selbst verheerende Angriffskriege geführt und Völkerrecht gebrochen haben.
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