Ein durchaus löchriger Schutzschirm sei am Ende herausgekommen bei den bisherigen Versuchen, die europäische Währungsunion für den nächsten Sturm zu wappnen, resümieren IMK-Forscher Andrew Watt und seine Koautoren Jan Priewe und Hansjörg Herr. Die Ökonomen haben zusammen mit einer Reihe Kollegen eine Sammlung von Analysen und politischen Reformvorschlägen herausgegeben. Titel: Still time to save the euro – noch ist Zeit, den Euro zu retten. Darin setzen sich die Wissenschaftler mit den Hauptproblemen des Euroraums auseinander.
Die unvollendete Währungsunion
Die europäische Währungsordnung ähnele noch immer mehr dem Goldstandard der Vorkriegszeit oder dem Wechselkurssystem der 1980er-Jahre als einer echten Gemeinschaftswährung, schreiben Watt, Priewe und Herr. Für die Mitgliedsstaaten sei der Euro in mancher Hinsicht wie eine Fremdwährung, was ihren wirtschaftspolitischen Spielraum stark begrenze und in Krisenzeiten zur Verschärfung finanzieller und sozialer Probleme beitrage: Weil kein Verlass darauf ist, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im Ernstfall als Kreditgeber letzter Instanz auftritt und Krisenländern aus der Patsche hilft, drohen Investoren gerade in kritischen Momenten, ihr Geld aus betroffenen Ländern abzuziehen, und kaufen dafür Anleihen anderer Mitgliedsstaaten, die als sicherer gelten. Das macht die Situation für angeschlagene Länder noch schlimmer.
Die idealtypische Lösung für diese Probleme wäre eine politische Union, die für eine einheitliche Wirtschaftspolitik und sozialen Ausgleich sorgt. „Die Geschichte zeigt, dass Währungsunionen ein bestimmtes Maß an politischer Integration erfordern“, so Watt, Priewe und Herr. Welche Minimalanforderungen erfüllt sein müssten, damit die Währungsunion störungsfrei funktioniert, sei zwar umstritten, es herrsche aber Einigkeit, dass der aktuelle Stand der Integration unzureichend sei. Deshalb unterbreiten die Wissenschaftler einige pragmatische Vorschläge, die zwar zu substanziellen Veränderungen führen würden, ihnen aber politisch durchaus umsetzbar erscheinen.
So sollte die EZB ihre Rolle als Kreditgeber letzter Instanz, der Staaten im Notfall mit Liquidität versorgt, vollumfänglich wahrnehmen – nicht nur wie derzeit im Rahmen des sogenannten Europäischen Stabilitätsmechanismus, der die betroffenen Länder zu einer Art Offenbarungseid und zur Einhaltung strenger wirtschaftlicher Auflagen verpflichtet. Wegen des damit verbundenen „Stigmas“ versuchen die Mitgliedsstaaten heute solange es geht, ohne Hilfskrediteauszukommen, was ihre Lage nach Einschätzung der Autoren oft noch verschlechtert.
Der Abschreckungseffekt ist politisch gewollt. Damit, so das Argument, kein Land im Vertrauen darauf, dass es ja am Ende sowieso von der Union gerettet wird, finanzpolitisch die Zügel schleifen lässt. Diese Befürchtung halten die Wissenschaftler zwar grundsätzlich für legitim, jedoch für übertrieben. Selbst wenn es einmal so käme, sei es trotzdem das geringere Übel, wenn die EZB stabilisierend eingreife. Schließlich rücke die Feuerwehr ja auch im Falle von Brandstiftung aus, da sonst die ganze Nachbarschaft in Gefahr gerate. Der Prozess gegen die Schuldigen werde erst eröffnet, wenn das Feuer gelöscht sei.
Eine Alternative bestünde laut Watt und Kollegen darin, gemeinsame Staatsanleihen, Eurobonds, einzuführen, um Risiken besser zu verteilen und zu verhindern, dass die Finanzmärkte plötzlich einzelnen Ländern Anschlusskredite verweigern. Zum Beispiel könnte ein „europäisches Schatzamt“ die Ausgabe neuer Gemeinschaftsanleihen zum Zwecke öffentlicher Investitionen übernehmen, während die bestehenden Anleihen weiter in nationaler Obhut blieben.
Lückenhafte Bankenunion
In Sachen europäische Bankenaufsicht attestieren die Wissenschaftler der Eurozone deutliche Fortschritte. Zumindest über die großen Banken Weiterlesen Wie die Währungsunion zu retten ist