25. Juni 2022
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Die Ukraine bekommt den Kandidatenstatus und wird zur Priorität Nr. 1 der Europapolitik. Die Gaskrise wird ernst – vor allem Deutschland ist schwer getroffen. Und die Wünsche der Bürger zur EU-Reform werden übergangen.
Ukraine, Ukraine, Ukraine. Das Land im Krieg mit Russland, das beim EU-Sondergipfel im März in Versailles noch nicht einmal eine “europäische Perspektive”hatte, steht nun im Zentrum der Europapolitik. Beim EU-Gipfel diese Woche toppte sie alles. Den Westbalkan, der seit 20 Jahren auf EUropa wartet, aber auch die Wirtschafts- und Energiekrise, die Deutschland und die EU erschüttert.
Und das dürfte auch nach dem “historischen” Beschluß über den Kandidatenstatus so weitergehen. Als Nächstes steht der Wiederaufbau auf dem Programm – die EU will hunderte Milliarden investieren.
Außerdem geht es um neue Waffen und noch mehr Sanktionen. Beim G-7-Gipfel in Elmau und beim Nato-Gipfel in Madrid werden die EU-Politiker noch weiter gehen als bei ihrem Treffen in Brüssel.
Begleitet wird dieses einseitige Agenda-Setting von einem neuen Narrativ. Obwohl der EU-Beitritt zu Beginn des Kriegs noch gar nicht auf der Tagesordnung stand, heißt es nun, “Putins Krieg” richte sich im Kern gegen die EU.
Etwas ehrlicher war Präsident Macron: Da eine Mitgliedschaft in der Nato derzeit nicht infrage komme, sei die EU eingesprungen, sagte er nach dem Gipfel in Brüssel. Alles andere wäre ein “politischer Fehler”gewesen.
Das klingt fast so, als sie die EU eine Art Ersatz-Nato. Ähnlich wurde übrigens schon bei den Sanktionen argumentiert: Weil die Nato nicht in den Krieg eingreifen könne, müsse die EU mit einem Wirtschaftskrieg antworten…
Was war noch? Die Gaskrise wird ernst, vor allem Deutschland ist schwer getroffen. Dies sorgte beim Cheftreffen zwar für große Betroffenheit, doch Beschlüsse hat man keine gefasst – auch Berlin steht auf der Bremse.
Nicht einmal auf einen Sondergipfel im Juli, den Italiens Draghi vorgeschlagen hatte, konnte man sich einigen. Erst beim nächsten Treffen im Oktober will die EU auf die Krise zurückkommen – wenn es dann nicht zu spät ist!?
Außerdem haben die Chefs die Reformverschläge ad acta gelegt, die Bürger auf der “Konferenz zur Zukunft Europas” ausgearbeitet hatten. Bei der Präsentation gab es noch einen Festakt in Straßburg, nun sind die Ideen vom Tisch.
Vom Tisch ist übrigens auch der Reformkonvent, den die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag vrsprochen hatte. Außenminister Baerbock sagte, das sei kein Thema mehr. Noch ein gebrochenes Wahlversprechen…
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