Keine Einzelfälle: Diskriminierung und rassistische Gewalterfahrungen von PoC
Zweiter Zwischenbericht der Universität Bochum zu Polizeigewalt
Ulrich von Klinggräff
Die Diskussionen zum Thema des polizeilichen Rassismus und der rechtswidrigen Polizeigewalt reißen seit Monaten nicht ab. Bewegte sich der Diskurs etwa im Zusammenhang mit dem NSU-Verfahren zunächst noch in eher überschaubaren bürgerrechtlichen und antirassistischen Kreisen ist spätestens seit dem Tod von George Floyd und den black lives matter-Demonstrationen im Sommer 2020 festzustellen, dass die Forderungen nach einer unabhängigen wissenschaftlichen Untersuchung von racial profiling und anderen diskriminierenden oder gewalttätigen Polizeimaßnahmen lauter werden und breite gesellschaftliche Kreise erreicht haben.
Angesichts einer Vielzahl von bekannt gewordenen polizeilichen Übergriffen, Meldungen von rechtsradikalen polizeilichen Chatgruppen, NSU 2.0 und Datenabfragen sowie Droh-E-Mails gegen Politiker*innen, Aktivist*innen, Künstler*innen und unsere Kollegin Seda Başay-Yıldız reduzieren sich die Stimmen, die weiterhin von »Einzelfällen« und »Generalverdacht« schwadronieren, auf immer weniger werdende Stimmen aus den Kreisen der Polizeigewerkschaften und des Innenministeriums.
Etwas vorschnell hieß es im Oktober dann plötzlich, dass sich die SPD-Spitze mit Seehofer darauf geeinigt habe, dass es nun die vielerorts geforderte Studie zur Frage des Bestehens eines strukturellen polizeilichen Rassismus-Problems geben solle. Im Gegenzug habe die SPD ihren Widerstand gegen die Staatstrojaner aufgegeben.
Unabhängig von der grundsätzlichen Fragwürdigkeit eines Deals, bei dem Bürgerrechte im Gegenzug zur Anfertigung einer Rassismus-Studie geopfert werden, wäre spätestens dann aller Anlass zum Misstrauen gegeben gewesen, als öffentlich wurde, dass der vermeintliche Kompromiss auf einen Vorschlag der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zurückzuführen ist, die auch gleich für sich einen Platz im Beirat des Forschungsteams beanspruchte. Gehört doch die GdP, anders etwa als der Bund Deutscher Kriminalbeamter, zu den entschiedenen Gegnern einer solchen Studie.
Die Klarstellung von Seehofer ließ dann auch nicht lange auf sich warten: Es gehe mitnichten um eine Studie zum Thema des polizeilichen Rassismus, sondern ganz allgemein um eine Studie zum Alltagsrassismus in der Zivilgesellschaft und den Institutionen, ergänzt um eine Untersuchung des Polizeialltags und der besonderen polizeilichen Probleme.
D.h. also, dass es keine Studie zur Thematik ›Struktureller polizeilicher Rassismus‹ geben wird, dafür aber Verfassungsschutz, MAD und BND zukünftig Verdächtigen Trojaner auf deren Handys spielen dürfen, um verschlüsselte Nachrichten mitlesen zu können. Die SPD erklimmt neue Gipfel der Diplomatie.
ZWEITE RUNDE DER STUDIENERGEBNISSE: BETROFFENENBEFRAGUNG
In diese anhaltende Diskussion fiel nun im November 2020 die Veröffentlichung des zweiten Zwischenberichts des Forschungsprojekts der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum zum Umfang rechtswidriger Gewalt durch Polizeibeamt*innen. Entsprechend hoch war auch die öffentliche Wahrnehmung dieser Veröffentlichung.
Ging es im ersten Zwischenbericht insbesondere um das Ausmaß rechtswidriger Polizeigewalt, das Anzeigeverhaltens der Betroffenen und die Frage, welche gesellschaftlichen Gruppen in besonderem Maße von dieser Gewalt betroffen sind, wendeten sich die Forscher*innen um Prof. Singelnstein nun der Frage zu, welche besonderen rassistischen und diskriminierenden Erfahrungen People of Colour (PoC) und Menschen mit Migrationshintergrund Weiterlesen Diskriminierung und rassistische Gewalterfahrungen von PoC