
Fünf Jahre erst ist’s her, da nahm Deutschland gemeinsam mit wenigen anderen europäischen Staaten Menschen aus dem Nahen Osten auf, die vor Bürgerkrieg, Verfolgung oder perspektivlosem Elend geflüchtet waren. Und doch scheint der rasch zur „Flüchtlingskrise“ umdeklarierte Akt der Humanität schon fast vergessen. Dabei sollte er doch eigentlich Auftakt zum Untergang des Abendlandes sein! Man hat sich abgefunden, nimmt den Geflüchteten aber doch ein bisschen übel, dass man sich ihretwegen für ein Weilchen zum Mitgefühl hinreißen ließ. Die Mehrheit der Deutschen hat inzwischen sogar Angela Merkel ihren Anflug von Menschlichkeit verziehen, allerdings nur, weil die Regierung längst zur gewöhnlichen Politik der Abschottung zurückgekehrt ist.
In einen Satz gerinnt die Mischung aus Resignation, Gleichgültigkeit und Widerwillen, mit der hierzulande viele mittlerweile Richtung Mittelmeer blicken: „Wir können nicht allen helfen!“ Es ist ein unscheinbarer Satz, der aber doch ziemlich viel Inhalt hat: vier Lügen in nur fünf Wörtern. Noch die mildeste Schwindelei steckt im letzten. Wir „helfen“ eigentlich gerne, das klingt rührend. Da vergisst es sich leicht, dass es nicht um Akte einer freiwilligen Gnade geht, sondern um die internationale Flüchtlingskonvention, das Verfassungsrecht auf Asyl und die Pflicht zur Rettung Schiffbrüchiger. Wo man aber nicht das tut, was das Recht gebietet, sondern aus Lust und Laune „hilft“, da kann bei passender Gelegenheit auch die Frage gestellt werden: Oder soll man es lassen?
Von beachtlicher Verschlagenheit ist auch das Wörtchen „alle“. Können wir die Not auf der Welt beenden, indem wir „alle“ aufnehmen? Nein. Es kommen aber auch nicht „alle“. Es kommen einige. Weiterlesen Wir können nicht allen helfen?