Die digitale Hand

dpa_Story_neues_Sozi_56486625.jpg

Werbung für vorbildliche Bürger statt für Konsumprodukte. Die öffentliche Auszeichnung von besonders sozial engagierten Menschen ist Bestandteil des Sozialkreditsystems, wie hier in Rongcheng

Dystopisch. Kein Wort wird in hiesigen Medien häufiger verwendet, um das chinesische Sozialkreditsystem (Social Credit System, SCS) zu beschreiben und es als Unterdrückungsinstrument hinzustellen. Doch nicht nur bei den geistig 1984 Stehengebliebenen, auch bei fast allen Linken herrscht ein bemerkenswertes Unverständnis darüber, was das SCS ist. Dieses Jahr sollte es der Planung Beijings zufolge landesweit eingerichtet sein und obwohl es noch nicht in einer endgültigen Form angelaufen ist, lassen sich Ausgestaltung und Zweck des Systems schon deutlich erkennen.

Die Volksrepublik steht immer noch vor großen Herausforderungen. Die Kulturrevolution, gesellschaftliche Dynamisierung und Urbanisierung im Zuge der ökonomischen Reformen Deng Xiaopings haben zur Erosion des jahrtausendealten konfuzianischen Wertesystems geführt. Strukturen, die vormals von Familien oder dörflichen Kommunen selbst getragen wurden, müssen vom Staat neu organisiert werden. Durch den sprunghaften wirtschaftlichen und technischen Fortschritt Chinas sind strukturelle Diskrepanzen entstanden – das betrifft nicht nur die mangelnde Regulierung der privaten Unternehmen, sondern etwa auch die fehlende Einbindung von Hunderten Millionen Menschen vom Lande in ein funktionierendes Kredit- und Finanzwesen. Andere im Rahmen der rasch durchgeführten Reformen aufgetretenen Probleme sind Korruption, Betrug, Verletzungen von Urheber- und Patentrechten, fehlende Produktsicherheit, Steuerbetrug, mangelnde Einhaltung von Verträgen und ein allgemein niedriges Vertrauen in die Abläufe des Marktes.

Mehr als ein Kreditwesen

Ein wesentlicher Ansatz Weiterlesen Die digitale Hand

Werbung

phoenix persönlich mit Prof. Dr. Maja Göpel

Am 26.06.2020 veröffentlicht

Corona-Krise: Schocktherapie gegen Schuldenangst?

|

Die Corona-Krise ist der schwerste Wirtschaftsschock seit der Großen Depression der 1930er Jahre. Die schwarze Null wurde beerdigt und die Schuldenbremse im Eiltempo durch Notfall-Kredite „ausgesetzt“. Die Corona-Krise offenbart wie ein Brandbeschleuniger die Fehler der Vergangenheit. Ob Renditemedizin, Investitionsstau oder Pflegenotstand: Die Kürzungspolitik in Europa macht die Krise teuer als nötig, weil die Wirtschaft wegen der drohenden Überlastung des Gesundheitssystems gehemmt ist und die Unsicherheit nur mit großen Investitionen überwunden werden kann. Ohne staatliche Kredite (Schulden) wird die Krise teuer und die Brücke in die Zukunft reißt ab!

Schulden haben nichts mit Schuld zu tun!

Wir müssen über Schulden reden. Denn mit der Corona-Krise geht Finanzminister Olaf Scholz, der die schwarze Null bis zuletzt selbst gegen die Kritik der deutschen Industrie verteidigte, in die Vollen! Wurde vor der Krise um jeden Euro und Cent gerungen, scheinen die Milliarden auf einmal auf den Bäumen zu wachsen. Oder doch nicht?

Der Begriff „Schulden“ ist im Deutschen negativ belegt. Wer sich verschuldet, der wirtschafte schlecht. Allerdings macht es einen Unterschied, ob man ein Staat, eine „schwäbische Hausfrau“ oder ein Unternehmen ist. Ein privater Haushalt muss seine Ausgaben kürzen, wenn das Einkommen – etwa durch Arbeitslosigkeit – wegbricht. Dann wird einem auch die Sparkasse einen Kredit verwehren. Ebenso haben Unternehmen nur einen begrenzten Spielraum zur Finanzierung über Banken oder Kapitalmärkte, wenn ihre Gewinne einbrechen. Denn Aktionäre wollen Dividenden und Kursgewinne, wenn sie Aktien kaufen, und Banken wollen Zinsen und Sicherheiten, wenn sie Kredite vergeben. Der Staat aber verfügt über eine Zentralbank, die in eigener Währung unbegrenzte Munition hat und nie pleitegehen kann. Der Europäischen Zentralbank (EZB) können zwar die Dollars ausgehen, aber niemals die Euros. Der Zugang zum Zentralbankgeld Weiterlesen Corona-Krise: Schocktherapie gegen Schuldenangst?