Running Gag des Tages: Ostbeauftragter

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Marco Wanderwitz (CDU)

Ja, Marco Wanderwitz kommt aus dem Osten. Geboren in Karl-Marx-Stadt und aufgewachsen im Erzgebirge, nahm er die Vorzüge des sozialistischen Bildungssystems mit, war auf dem Weg zum Abi und hat den Bayerischen Rundfunk auf der Mattscheibe empfangen. Typisch Süd-DDR. Und von konterrevolutionären Aktionen kann er beim allerbesten Willen nichts berichten. Nur, dass er am 10. November 1989 die Schule schwänzte, um mit seinen Eltern in den Westen zu knattern, wie Wanderwitz auf einer Website der Jungen Union (JU) wissen ließ. Der King des Pausenhofs wird er dann nicht geworden sein, als er im Frühjahr 1990 zu Hause einen JU-Kreisverband gründete. Aber immerhin machte ihn sein frühes Homeoffice zum Ostbeauftragten der Bundesregierung. Dieses Amt erfordert vor allem den Nachweis, sich schnellstmöglich an die Kolonialisten assimiliert zu haben.

Nun ist es an Wanderwitz, gegen die neue mecklenburg-vorpommerische Landesverfassungsrichterin Barbara Borchardt zu ledern. Natürlich mit Rückendeckung der üblichen Verdächtigen wie Welt-Mann Ulf Poschardt, der Borchardt am Freitag als »so jemanden« bzw. »eine Figur« entmenschlichte. Dabei hatte das Mitglied der Antikapitalistischen Linken im SZ-Interview lediglich differenzierend angemerkt: »Es gab Mauertote auf beiden Seiten, es sind auch Grenzsoldaten erschossen worden.« Markus Meckel (SPD) ist »ziemlich entsetzt«, natürlich nicht über die toten Grenzer. Und Wanderwitz pflichtet bei: »Wer so die Opfer der Diktatur verhöhnt, ist an einem Verfassungsgericht fehl am Platz«. Wohlgemerkt: Keiner wurde verhöhnt, es wurde nur nicht wieder Gewichtiges ausgespart. Glücklicherweise hat der Ostbeauftragte bei Besetzung eines Richteramtes nicht mitzureden. Und Borchardt zeigt, dass Karriere im Westen ohne Selbstverleugnung möglich ist. Auch wenn sie nie Ostbeauftragte werden wird.

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