Mit weniger Freiheitsrechten wird staatliches Versagen bezahlt

Halina Wawzyniak und Udo Wolf über die Schieflage bei den krisenpolitischen Maßnahmen

<img src="https://www.rosalux.de/fileadmin/_processed_/c/f/csm_Trotz-Corona-Protest-in-Berlin_Tim-Luedemann_Flickr_CC-by-nc-sa-2.0_8b5bad055c.jpg&quot; data-caption="Trotz Corona: In Berlin hatten sich am 28. März 2020 trotz des Versammlungsverbots wegen der Covid-19-Krise etwa hundert Menschen versammelt. Sie demonstrierten für die Evakuierung und Unterstützung von Flüchtlingen auf den griechischen Inseln und bessere Entlohnung und Arbeitsbedingungen für Pflegepersonal. Nach etwa einer halben Stunde räumte die Polizei die Demonstrant*innen von der Straße und löste die Versammlung auf. CC BY-NC-SA 2.0,

Tim Lüddemann, via Flickr“ title=“Trotz Corona: Protest in Berlin“ alt=“Trotz Corona: Protest in Berlin“ width=“622″ height=“350″ style=“max-width: 100%; margin: 0.5em auto; display: block; height: auto“>

Trotz Corona: In Berlin hatten sich am 28. März 2020 trotz des Versammlungsverbots wegen der Covid-19-Krise etwa hundert Menschen versammelt. Sie demonstrierten für die Evakuierung und Unterstützung von Flüchtlingen auf den griechischen Inseln und bessere Entlohnung und Arbeitsbedingungen für Pflegepersonal. Nach etwa einer halben Stunde räumte die Polizei die Demonstrant*innen von der Straße und löste die Versammlung auf.  CC BY-NC-SA 2.0, Tim Lüddemann, via Flickr

In allen Bundesländern gibt es Rechtsverordnungen zur Eindämmung des Corona-Virus, das Bundesinfektionsschutzgesetz wurde geändert. Bestandteil der Rechtsverordnungen sind Einschränkungen der Freiheitsrechte von Einwohner*innen: Das Demonstrationsrecht, die Religionsfreiheit, die allgemeine Handlungsfreiheit und die körperliche Unversehrtheit. Alle Rechtsverordnungen schreiben vor, mit wem sich Menschen außerhalb ihrer Wohnung treffen und an vielen Stellen sogar, unter welchen Bedingungen sie überhaupt ihre Wohnung verlassen dürfen. Nirgendwo gibt es den Versuch, mit staatlichen Ordnungsmaßnahmen und unter Verweis auf das Grundgesetz die Produktion von dringend nötiger Schutzausrüstung (PSA) in die eigene Hand zu nehmen. Das dürfte kein Zufall sein, sondern bewegt sich in der Logik des Kampfes gegen das Corona-Virus. Nach dieser bezahlen Einwohner*innen mit der Einschränkung ihrer Freiheitsrechte für die Vernachlässigung des Staates bei der Gewährleistung der Daseinsvorsorge. Diese Logik bei der Bekämpfung des Corona-Virus könnte sich bedauerlicherweise festsetzen.

Was ist COVID 19 und worum geht es bei der Eindämmung

Nach dem Steckbrief des Robert Koch-Instituts vom 10. April 2020 verlaufen rund 80 Prozent der Erkrankungen mild bis moderat, 14 Prozent verliefen schwer und es kommt bei sechs Prozent zu einem kritischen oder lebensbedrohlichem Verlauf. Der schwere und kritische Verlauf betrifft vor allem, aber nicht ausschließlich, Risikogruppen. Zu diesen zählen ältere Personen und Personen mit bestimmten Vorerkrankungen. Die Zahl der Zweitinfektionen, also die Zahl derjenigen, die von einer infizierten Person angesteckt werden (Basisreproduktionszahl R0), liegt zwischen 2,4 und 3,3. Die Übertragung des Virus soll hauptsächlich über Tröpfcheninfektion laufen.

Ausweislich des Epidemiologischen Bulletins des Robert Koch-Instituts vom 9. April 2020 macht die Altersgruppe der 60- bis 79-Jährigen 14 Prozent der Erkrankungen in Deutschland aus. Von den insgesamt in Deutschland gemeldeten Fällen wurden acht bis zehn Prozent stationär in einem Krankenhaus aufgenommen, der Anteil der Verstorbenen beträgt ein Prozent, in der Gruppe der über 80-Jährigen 25 Prozent. Die aktuelle Belegungssituation intensivmedizinischer Bereiche ist in einem Registereinsehbar, am 10. April 2020 gab es 7.928 freie Intensivbetten in Deutschland.

Die nackten Zahlen zu den Auswirkungen der Krankheit und die wissenschaftlichen Erkenntnisse wandeln sich täglich. Juristische Bewertungen und politische Entscheidungen kommen dennoch nicht Weiterlesen

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ZUGANG ZU MEDIZINISCHER VERSORGUNG: FÜR ALLE – JETZT SOFORT – FÜR IMMER!

Pressemitteilung vom 14. April 2020

35 bundesweite Medibüros und Medinetze weisen auf die dramatische Versorgungssituation von hunderttausenden Migrant*innen ohne Krankenversicherungsschutz in der Corona-Krise hin. In einem offenen Brief an die gesundheitspolitischen Verantwortlichen ersuchen sie dringend um eine schnelle, bundesweit einheitliche und nachhaltige Lösung. Die unterzeichnenden und unterstützenden Organisationen mahnen an, dass der sichere und verlässliche Zugang zu gesundheitlicher Versorgung ein  Menschenrecht ist und ohne Einschränkungen gewährt werden muss.

Der offene Brief wurde am 13. April 2020 versendet an:

Bundesgesundheitsminister JENS SPAHN, Bundesminister für Arbeit und Soziales HUBERTUS HEIL, Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat HORST SEEHOFER, die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz 2020 DILEK KALAYCI, dieTEILNEHMER*INNEN der Gesundheitsministerkonferenz 2020

Angesichts der Corona-Pandemie hat die WHO am 04.04.2020 Regierungen weltweit dazu aufgefordert, Geflüchteten, Migrant*innen, Obdachlosen sowie Menschen ohne Krankenversicherung Zugang zu Tests und Behandlung zu geben und finanzielle Barrieren abzubauen. Schon am 24.03.2020 haben ÄRZTE DER WELT mit über 40 mitzeichnenden Organisationen in einem offenen Brief an den Corona-Krisenstab der Bundesregierung ihre tiefe Besorgnis darüber ausgedrückt, dass Hunderttausende in Deutschland keine Möglichkeit haben, sich testen und behandeln zu lassen oder in Quarantäne zu gehen. Illegalisierte Migrant*innen, die auf anonyme Diagnostik und Behandlung angewiesen sind, fürchten, dass ihre Daten an die Ausländerbehörden übermittelt (§ 87 AufenthG) und sie abgeschoben werden. Andere schrecken vor hohen Behandlungskosten zurück und vermeiden Arztbesuche, Untersuchungen oder Tests. Auch zu verlässlichen Informationen in ihrer Sprache über das Coronavirus und die Lungenkrankheit Covid-19 haben viele Weiterlesen ZUGANG ZU MEDIZINISCHER VERSORGUNG: FÜR ALLE – JETZT SOFORT – FÜR IMMER!