Rosenheim : Nach Hetze gegen Muslime: Anklage und Strafbefehl gegen Polizeibeamte

Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat ihre Ermittlungen gegen zwei oberbayerische Polizeibeamte wegen einer volksverhetzenden Nachricht in einer privaten Chatgruppe mehrerer Polizisten abgeschlossen. Gegen einen der Beamten hat sie nach eigenen Angaben bereits einen Strafbefehl wegen Volksverhetzung erwirkt.

Der zweite Beamte wird sich wohl einem Verfahren vor einem Schöffengericht stellen müssen. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft Strafvereitelung im Amt vor. Er sollte den Fall eigentlich aufklären, hat jedoch nach Überzeugung der Staatsanwälte den anderen Polizisten trotz klarer Hinweise nicht als Versender, sondern lediglich als Empfänger der Chatnachricht genannt.

Den Fall aus dem Bereich des Polizeipräsidiums Rosenheim hatte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vor einem Jahr durch einen Bericht im Innenausschuss des Landtags öffentlich gemacht. Kurz zuvor war eine größere Polizistengruppe rund um ein Unterstützungskommando des Münchner Präsidiums wegen ähnlicher Chats aufgeflogen.

Im Rosenheimer Fall hatten demnach zwei Polizisten im Februar 2018 einen volksverhetzenden, gegen Muslime gerichteten Post verschickt und geteilt, einer der weiteren Polizisten aus der Chatgruppe hatte dies seinem Vorgesetzten mitgeteilt. Gegen den Beamten, der die Nachricht geteilt hatte, waren die Ermittlungen gegen Geldauflage eingestellt worden, auch das folgende Disziplinarverfahren endete mit einer Geldbuße.

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Die Spur nach Güstrow

Ein SEK-Polizist ist für seine rechte Gesinnung bekannt. Warum konnte er massenhaft Munition horten?

Rechte Prepper-Gruppe Nordkreuz

Im November 2016 chatten zwei Männer in Mecklenburg-Vorpommern. Der eine schickt ein Video, darin ein Nussknacker, der seinen Arm nach oben bewegt und „Sieg Heil“ sagt. Im Januar darauf schickt der andere Regeln zur „Reinhaltung der Deutschen Rasse“ von 1938. Am 20. April 2017, dem Geburtstag von Adolf Hitler, dann die Nachricht: „Happy Birthday“.

Der eine Mann ist Polizist, ein Präzisionsschütze.

Der andere Trainer auf einem privaten Schießplatz, auf dem Spezialkräfte ausgebildet werden.

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Als sie sich diese Nachrichten schreiben, sind sie Mitglieder einer Gruppe, die im Spätsommer 2017 als Nordkreuz bekannt wurde: Darin vernetzten sich Männer und wenige Frauen, um sich auf einen „Tag X“ vorzubereiten – sogenannte Prepper. Sie wollen gewappnet sein für Naturkatastrophen, für Stromausfälle oder, so schildern es ehemalige Mitglieder, wenn zu viele Geflüchtete kommen. Nordkreuz ist Teil des rechten Hannibal-Netzwerks in Sicherheitsbehörden, das die taz aufgedeckt hat.

Der Polizist heißt Marko G. Beamte des Bundeskriminalamtes hatten Ende August 2017 seine Wohnung, sein Grundstück und sein Auto durchsucht, weil sie wissen wollten, ob manche in dieser Nordkreuz-Gruppe einen rechtsextremen Terroranschlag planen, Menschen umzubringen am Tag X etwa.

Das wirft die Bundesanwaltschaft einem Anwalt und einem Kriminalpolizisten vor, die Weiterlesen Die Spur nach Güstrow

Zum Verbot von „Combat 18 Deutschland“

Durch die 71-seitige Verbotsverfügung zieht sich die konsequente Verweigerung, die Gruppe so zu benennen wie sie sich selbst nennt, wie sie im internationalen Netzwerk aufgestellt ist und dort anerkannt wird: „Blood & Honour / Combat 18“ (B&H/C18). Lediglich im deutschen Rahmen tritt sie, um allzu offene Bezüge auf das verbotene B&H zu vermeiden, zumeist als „Combat 18 Deutschland“ auf. Ebenso deutlich zieht sich die Verleugnung der tatsächlichen Größe und Dimension der Organisation durch die Verfügung.

Sieben von Hundert

In der Verbotsverfügung werden der Gruppe „mindestens 20 Mitglieder“ zugerechnet. Tatsächlich ist „Blood & Honour / Combat 18“ bzw. „Combat 18 Deutschland“ eine Organisation, die aus mehreren Untergruppen und Sektionen besteht und der insgesamt an die 100 Personen angehören dürften. Das Bundesministerium reduziert „Combat 18 Deutschland“ auf einen eng gesteckten Kreis um den Eisenacher Stanley Röske (ehemals Hessen), der nur eine von mehreren Führungspersonen der Organisation ist. Andere Gruppen und Sektionen von „Combat 18 Deutschland“ werden komplett ignoriert. Weder wurde bei deren Mitgliedern durchsucht, noch wurden diese Gruppen in der Verbotsverfügung als Teil von „Blood & Honour / Combat 18“ bzw. „Combat 18 Deutschland“ erwähnt.

Zu den sieben Personen, denen die Verbotsverfügung zugestellt wurde, zählen neben dem Kopf Stanley Röske aus Eisenach (Thüringen), Keven Langner aus Erfurt (Thüringen) als sein Stellvertreter, David Görgen aus Trierweiler (Rheinland-Pfalz), Josef Liedtke (geb. Irchenhauser) aus Wildau (Brandenburg), Gregor Alexander Michels aus Malchin (Mecklenburg-Vorpommern), Daniel Ott aus Lautertal (Hessen) und Robin Schmiemann aus Castorp Rauxel (Nordrhein-­Westphalen).1

B&H / C18 Divided

In der Verbotsverfügung wird nicht ein einziges Mal auf das Selbstverständnis von „Combat 18 Deutschland“ eingegangen, Teil des internationalen Netzwerks von „Blood & Honour“ zu sein bzw. Weiterlesen Zum Verbot von „Combat 18 Deutschland“

„Alternative Fakten“ zu Corona: Das Netzwerk der Verharmloser und Verschwörer

Linktipp:
https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/corona-fake-news-106.html

„Alternative Fakten“ zu Corona: Das Netzwerk der Verharmloser und Verschwörer

MONITOR vom 02.04.2020

Dialogbox

Zu den Kommentaren [622]

Bericht: Jochen Taßler, Jana Heck

„Alternative Fakten“ zu Corona: Das Netzwerk der Verharmloser und Verschwörer. Monitor . 02.04.2020. 07:23 Min.. UT. Verfügbar bis 02.04.2099. Das Erste. 

Georg Restle: „Zur Wahrheit über das neuartige Corona-Virus gehört, dass wir vieles darüber nicht wissen. Nicht wie viele sich tatsächlich damit infiziert haben, nicht wie tödlich es ist, nicht wie lange wir nach einer Heilung möglicherweise immun dagegen sind. Und wo Wissen fehlt, da wachsen Spekulationen und wilde Theorien, vor allem im Netz. Die Corona-Krise ist der ideale Nährboden für Unheilspropheten, denen es nicht um Wahrheitsfindung geht, sondern schlicht darum, ihre politischen Botschaften unters Volk zu bringen. Es ist ein gefährliches Gebräu aus Halbwahrheiten, Verschwörungstheorien und auch rechtsextremer Gesinnung, das in diesen Zeiten besonders gut zu gären scheint. Jochen Taßler und Jana Heck.“

Dieser Mann hat es in den letzten Wochen zu großer Bekanntheit gebracht, Wolfgang Wodarg.

Wolfgang Wodarg (13.3.2020): „Ich möchte was erzählen über die Corona-Virus-Epidemie, die wir angeblich haben sollen.” 

Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Lungenarzt hält die Debatte um Corona vor allem für Panikmache, befeuert von übereifrigen Virologen.

Wolfgang Wodarg (13.3.2020): „Da ist was gesponnen worden. Ein Netz von Informationen, von Meinungen hat sich entwickelt in diesen Fachkreisen. Und die Politik hat sich an diese Fachkreise gewandt, die damit angefangen haben, hat sich das angezogen.” 

Im Netz gilt er als „Corona-Rebell”, Videos mit ihm werden millionenfach geklickt. Im Kern sagt Wodarg, Corona-Viren habe es immer schon gegeben. Das neue Virus sei nicht besonders gefährlich. Und ohne Tests würden wir gar nicht merken, dass es überhaupt da sei. Die meisten Fachleute widersprechen dieser Einschätzung. Auch Prof. Gérard Krause, Leiter der Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum in Braunschweig.

Prof. Gérard Krause, Leiter Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionskrankheiten Braunschweig: „Ein Großteil seiner Aussagen sind fachlich unstrittig. Ganz problematisch ist seine Schlussfolgerung, dass es sich hier nicht um ein Problem handelt, sondern dass es nur ein Wahrnehmungsproblem ist.  Und das ist definitiv nicht der Fall. Die verstorbenen Patienten und auch die Todesfälle beim medizinischen Personal, die sind ja nicht erfunden. Die wären uns auch aufgefallen, wenn wir kein Erfassungssystem oder keinen Namen für das Virus hätten.“

Im Netz werden fragwürdige Expertisen wie die von Wodarg gerade massenhaft verbreitet. Medien, die sich selbst gerne „alternativ” nennen, greifen sie reichlich auf. KenFM etwa, eine der bekanntesten „alternativen” Plattformen in Deutschland. Hier werden voreilige Verharmlosungen zur Grundlage für wütende Kommentare gegen das System. Von einer „Corona-Diktatur” ist da die Rede, und von „Machtergreifung”. Ein anderer Beitrag sieht in Corona einen „asymmetrischen Krieg” der „Superreichen gegen die restlichen 99 Prozent”. Man wolle eine „Vielfalt von Perspektiven” aufzeigen, sagt KenFM auf MONITOR-Anfrage. Wissenschaftler bewerten solche Beiträge dagegen als klassische Verschwörungstheorien.

Pia Lamberty, Psychologin, Universität Mainz: „Verschwörungstheorien zeichnen sich dadurch aus, dass Menschen glauben, dass es eine dunkle Macht gibt, die im Geheimen Böses tut. Und das ist auch der Unterschied zu Fehlinformationen, wo manchmal einfach Informationen falsch wiedergegeben werden. Es gibt die bösen Verschwörer, die die Welt zerstören wollen in irgendeiner Art und Weise. Und es gibt die Guten, die die Wahrheit sehen, die wissen, wie es wirklich läuft.”

Längst gibt es eine ganze Reihe von Seiten und Kanälen, die Fachleute mindestens in Teilen als verschwörungstheoretisch einschätzen. Viele von ihnen nutzen nun Corona für ihre eigene Agenda. Heiko Schrang zum Beispiel. Er erreicht mit seinem YouTube-Kanal fast 160.000 Abonnenten. In seinen Videos wirft er Politik und Medien permanente Lügen vor und wähnt sich in einem repressiven Unterdrückungsstaat. Corona sieht er als weiteren Beleg dafür. Das Virus sei eine Art „trojanisches Pferd”, Teil eines großen Plans, die Menschen zu unterdrücken.

Ausschnitt SchrangTV: „Man versucht, uns aber in der Angst zu halten, weil durch die Angst sind wir kontrollierbar. Und wer Angst hat, der ist in sich zusammengezogen, der ist steif, starr. Und jemand der starr ist, den kann man ganz einfach brechen.” 

Schrang sieht das nicht als Verschwörungstheorie. Auf Monitor-Anfrage schreibt er, man „hinterfrage Dinge und Ereignisse” eben „kritisch”.

Jan Rathje, Amadeu Antonio Stiftung: „Jede große Krise ist immer ein Nährboden für Verschwörungserzählungen, denn sie lassen sich dann immer wieder darstellen als entweder gar nicht existierend oder als Teil des bösartigen Plans der vermeintlichen Verschwörerinnen und Verschwörer, endlich eine Diktatur umzusetzen.“

Gerade rechte bis rechtsextreme Kanäle versuchen, Corona für ihre Zwecke zu instrumentalisieren – Compact etwa. Das Magazin macht regelmäßig Stimmung gegen Flüchtlinge. Hier wird die Pandemie ganz im Sinne der eigenen Ideologie genutzt. Trotz niedriger Asylzahlen suggeriert der aktuelle Titel eine angeblich neue „Asylflut” im Schatten von Corona.

Prof. Michael Butter, Literaturwissenschaftler, Universität Tübingen: „Da sieht man genau das, was alle anderen Corona-Verschwörungstheorien auch auszeichnet, nämlich, dass im Grunde die Corona-Krise nur angebaut wird als neuester Baustein an bereits existierende Verschwörungstheorien. Wenn man glaubt, der große Austausch ist im Gange, dann ist die Corona-Krise nur ein weiterer Schritt, um diese Einwanderung und den damit einhergehenden Bevölkerungsaustausch weiter zu vollziehen.”

Auch das Schweizer Portal Klagemauer.tv bedient immer wieder rechte Verschwörungstheorien. Immer wieder fällt es mit antisemitischen und extrem rechten Inhalten auf. Der Einmarsch der Deutschen in Polen im Zweiten Weltkrieg wurde hier schon als „Notwehr” bezeichnet. Nun fantasiert man darüber, dass das Corona-Virus „als Biowaffe gezielt eingesetzt” worden sein könnte.

Betreiber von Klagemauer.TV ist der Schweizer Ivo Sasek. Er lädt regelmäßig zur sogenannten „Antizensurkoalition”, einem Stelldichein von Verschwörungstheoretikern aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Wie sehr man sich gegenseitig schätzt, kann man hier beobachten. Denn viele, die Corona gerade für ihre Zwecke nutzen, haben hier schon Vorträge gehalten: Heiko Schrang etwa. Und auch Jürgen Elsässer, der Herausgeber von Compact. Einige dieser „alternativen” Plattformen finden inzwischen auch Rückhalt in der Politik. Die AfD hat sich zu ihrem „Schutzschild” erklärt. Im vergangenen Jahr hat sie zur „Ersten Konferenz der freien Medien im Deutschen Bundestag geladen”. Auf dem Werbebanner: unter anderem Compact, Klagemauer.TV und die Anti-Zensur-Koalition.

Jan Rathje, Amadeu Antonio Stiftung: „Das ist hochgradig problematisch, denn wenn beispielsweise politische Macht errungen wird von Menschen, die Verschwörungsideologien anhängen oder sie verbreiten, dann kann es auch gefährlich werden, wenn Menschen sich durch diese Macht dann bestärkt darin fühlen.” 

Einfache Wahrheiten, klare Feindbilder, in unsicheren Zeiten mag das für viele reizvoll sein. Gefährlich ist es für die Gesellschaft. Vor allem für die, die durch das Corona-Virus gerade besonders gefährdet sind.

Georg Restle: „Nein, natürlich ist nicht jeder Kritiker der Regierungspolitik ein Verschwörungstheoretiker und natürlich sollten wir auch wissenschaftliche Mindermeinungen ernst nehmen, gerade in diesen Zeiten. Denn Kritik ist durchaus angebracht, wenn man sieht, wie weit der Staat mittlerweile in unser Privatleben eindringt.“

Stand: 02.04.2020, 22:40

Epidemien und »schlechte Viertel«

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»Die Brutstätten der Seuchen, die infamsten Höhlen und Löcher, worin die kapitalistische Produktionsweise unsre Arbeiter Nacht für Nacht einsperrt, sie werden nicht beseitigt«: Die nordenglische Stadt Widnes im späten 19. Jahrhundert

Karl Marx/Friedrich Engels – Werke. Dietz Verlag, Berlin, Band 18

Die moderne Naturwissenschaft hat nachgewiesen, dass die sogenannten »schlechten Viertel«, in denen die Arbeiter zusammengedrängt sind, die Brutstätten aller jener Seuchen bilden, die von Zeit zu Zeit unsre Städte heimsuchen. Cholera, Typhus und typhoide Fieber, Blattern (Pocken, jW) und andre verheerende Krankheiten verbreiten in der verpesteten Luft und dem vergifteten Wasser dieser Arbeiterviertel ihre Keime; sie sterben dort fast nie aus, entwickeln sich, sobald die Umstände es gestatten, zu epidemischen Seuchen und dringen dann auch über ihre Brutstätten hinaus in die luftigeren und gesunderen, von den Herren Kapitalisten bewohnten Stadtteile. Die Kapitalistenherrschaft kann nicht ungestraft sich das Vergnügen erlauben, epidemische Krankheiten unter der Arbeiterklasse zu erzeugen; die Folgen fallen auf sie selbst zurück, und der Würgengel (Diphterie, jW) wütet unter den Kapitalisten ebenso rücksichtslos wie unter den Arbeitern.

Sobald dies einmal wissenschaftlich festgestellt war, entbrannten die menschenfreundlichen Bourgeois in edlem Wetteifer für die Gesundheit ihrer Arbeiter. Gesellschaften wurden gestiftet, Bücher geschrieben, Vorschläge entworfen, Gesetze debattiert und dekretiert, um die Quellen der immer wiederkehrenden Seuchen zu verstopfen. Die Wohnungsverhältnisse der Arbeiter wurden untersucht und Versuche gemacht, den schreiendsten Übelständen abzuhelfen. Namentlich in England, wo die meisten großen Städte bestanden und daher das Feuer den Großbürgern am heftigsten auf die Nägel brannte, wurde eine große Tätigkeit entwickelt; Regierungskommissionen wurden ernannt, um die Gesundheitsverhältnisse der arbeitenden Klasse zu untersuchen; ihre Berichte, durch Genauigkeit, Vollständigkeit und Unparteilichkeit vor allen kontinentalen Quellen sich rühmlich auszeichnend, lieferten die Grundlagen zu neuen, mehr oder weniger scharf eingreifenden Gesetzen. So unvollkommen diese Gesetze auch sind, so übertreffen sie doch unendlich alles, was bisher auf dem Kontinent in dieser Richtung geschehn. Und trotzdem erzeugt die kapitalistische Gesellschaftsordnung die Missstände, um deren Kur es sich handelt, immer wieder mit solcher Notwendigkeit, dass selbst in England die Kur kaum einen einzigen Schritt vorgerückt ist. (…)

Teste die beste

In der »Lage der arbeitenden Klasse in England« gab ich eine Schilderung von Manchester, wie es Weiterlesen Epidemien und »schlechte Viertel«

Push – Für das Grundrecht auf Wohnen

https://www.arte.tv/de/videos/084759-000-A/push-fuer-das-grundrecht-auf-wohnen/

90 Min.
Verfügbar vom 03/02/2020 bis 03/05/2020

In Städten auf der ganzen Welt schießen die Immobilienpreise in die Höhe. Für das Einkommen der Menschen gilt das nicht. Der Dokumentarfilm beleuchtet eine neue Sorte anonymer Vermieter, zunehmend unbewohnbar werdende Städte und eine sich zuspitzende Krise, die uns alle betrifft. Hier geht es nicht um Gentrifizierung – wir haben es mit einem ganz anderen Monster zu tun.

Überall auf der Welt schnellen die Mietpreise in den Städten in die Höhe und Langzeitmieter werden aus ihren Wohnungen herausgedrängt. Der Film folgt Leilani Farha, der UN-Sonderberichterstatterin für das Menschenrecht auf Wohnen, wie sie die Welt bereist, um herauszufinden, wer aus der Stadt gepusht wird und warum. Ihre Recherchen führen sie unter anderem in eine Sozialbausiedlung im schwedischen Uppsala, wo auf einen Schlag mehrere Tausend Wohnungen den Besitzer wechseln, in das hippe Londoner Stadtviertel Notting Hill, wo viele Stadtvillen leer stehen, nach Berlin und Valparaíso, aber auch in das grüne Hinterland von Seoul oder in den New Yorker Stadtteil Harlem, wo ein Mieter für seine 70 Quadratmeter von einem auf den anderen Tag nicht mehr 2.400, sondern 3.500 Dollar zahlen muss. Zu Wort kommen neben verzweifelten Bewohnern die Soziologin Saskia Sassen, der Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und der Schriftsteller Roberto Saviano. Sie erklären anschaulich, wie die Verwandlung von Immobilien in Kapitalposten, die auf den Finanzmärkten verschoben werden wie Aktien oder Rohstoffe, innerhalb weniger Jahre zu einer weltweiten sozialen Krise geführt hat. „Ich glaube, es gibt einen riesigen Unterschied zwischen Wohnen als Handelsware und Gold als Handelsware. Gold ist kein Menschenrecht, Wohnen schon“, sagt Leilani Farha. Deshalb hat sie „The Shift“ gegründet, ein internationales Aktionsbündnis aus Bürgermeistern und NGOs, die versuchen, sich der enthemmten Verwandlung von Wohnraum in Wirtschaftsgüter entgegenzustellen. „‘Push‘: ein fesselnder neuer Film darüber, wie das globale Finanzsystem die Mietkrise befeuert und Städte unbewohnbar macht.“ (The Guardian)
  • Regie :
  • Fredrik Gertten
  • Land :
  • Schweden
  • Jahr :
  • 2019
  • Herkunft :
  • ZDF

Corona und der Kollaps der Modernisierung

Corona ist der Auslöser, aber nicht die Ursache der sich verschärfenden Krisen-Situation. Sie wird den Zerfall des Kapitalismus beschleunigen. Im Unterschied zur Krise von 2007/8, die sich auf die ‚systemrelevanten‘ Banken zuspitzte, muss nun auch der Realwirtschaft mit Milliardenhilfen unter die Arme gegriffen werden. Gefordert ist wieder der (Sozial-)Staat, der im Siegeszug des Neoliberalismus als soziale Hängematte und Klotz am Bein in der Konkurrenz der Standorte diskreditiert worden war. Was sich als Erfolgsmodell eines Standort- und ‚finanzgetriebenen‘ Kapitalismus aufgeplustert hatte, war selbst nichts anderes als eine Strategie, die Krise des Kapitalismus zu strecken. Nicht zufällig trifft also Corona bei uns auf ein teilprivatisiertes und durch Sparen lädiertes Gesundheitssystem und in den Krisenregionen auf den zum Teil völligen Zerfall der Strukturen von Markt und Staat.

Schon bei den ersten neoliberalen Experimenten in den 1970er Jahren, die Augusto Pinochet – unterstützt von den Chicago-Boys um Milton Friedman – in Chile unter einer mörderischen Militärdiktatur durchgesetzt hatte, war Kritikern angemerkt worden, hier werde nach dem Motto verfahren: ‚Sozialstaat versklavt. Polizeistaat macht frei.‘ In der Tat war auch die weitere Geschichte des Neoliberalismus mit sich verschärfender Repression vor allem gegen Menschen, die für die Verwertung des Kapitals überflüssig wurden, verbunden: von Arbeitslosen und prekär Beschäftigten, über den Flüchtende bis hin zu den unrentablen Kranken und Alten. Ausgrenzung und Repression sind nicht einfach Produkte des neoliberalen Kapitalismus, sondern dem Zusammenhang von Kapitalismus und Demokratie, von Liberalismus und Repression geschuldet, in dem der ‚Ausnahmezustand‘ seine Basis hat. Bereits in den letzten Jahrzehnten ist vor allem für Flüchtende der ‚Ausnahmezustand‘ immer mehr zum ‚Normalzustand‘ geworden. Unter dem Druck der Corona-Krise kam es zu kollektiven Zwangsabschiebungen von Griechenland in die Türkei. So ist auch in der sich angesichts von Corona zuspitzenden Krise des Kapitalismus zu befürchten, dass die bei Corona schon einmal eingeübten staatlichen Repressionen sich verschärfen werden – verbunden mit einer zunehmenden Verwilderung von Polizei und Justiz (Korruption, Mafiaverbindungen u.ä.).

Wie 2015 der ‚Willkommenskultur‘ ist diesmal den Beschwörungen von Solidarität Weiterlesen Corona und der Kollaps der Modernisierung