
Foto: Alberto Pizzoli/AFP/Getty Images
Wir schreiben diese Zeilen in einer Zeit größter Verunsicherung und Undurchsichtigkeit, einer Zeit, in der sich Affekte und Denken kaum noch trennen lassen, einer Zeit des Nicht-Wissens. Das einzige, was kollektives Nachdenken in diesen Zeiten stiften kann, ist vorläufige Orientierung. Es gibt keine letztgültigen Antworten, weder auf die Frage, was uns bevorsteht und was zu tun ist, noch auf die Frage, wie sich die politischen Prozesse dieser Tage beschreiben lassen.
Wir möchten beginnen mit einer Feststellung: Alles, was gerade passiert, folgt weder einem geheimen Plan noch einer einseitigen Logik, auch nicht die große Politik. Wir sehen sehr widersprüchliche Tendenzen, die sich zum Teil diametral widersprechen, bestimmte Logiken und Pläne, die aufgrund wissenschaftlich begründeter Hypothesen verfolgt werden, aber nicht unbedingt die gewünschten Konsequenzen haben. Der Covid-19-Virus trifft die Welt von außerhalb der politischen Machtstrukturen und wirbelt diese Welt der Programme, Strategien und Ideologien auf, er zwingt ihr einen wissenschaftlich abgesicherten Pragmatismus und gleichzeitig eine radikale Gegenwärtigkeit auf. In ihr werden sich die alten politischen Interessen neu konstituieren und artikulieren. Über diesen umgreifenden Prozess müssen wir reden und versuchen, ihn zu verstehen.
Wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt nur, dass die Welt in einer Pandemie steckt, deren Verlauf und Folgen noch unabsehbar sind und deren größte Katastrophe in den Ländern des Globalen Südens droht. Und wir wissen, dass diese Pandemie schon jetzt ein historisches Ereignis ist. Der gesundheitspolitische Eingriff der Staaten löst eine Wirtschaftskrise (und nicht bloß eine Finanzkrise) aus und verursacht einen politischen Ausnahmezustand, der auf eine von Quarantäne, Ausgangssperren und Shutdowns geschwächte Zivilgesellschaft trifft. Der Staat greift in Wirtschaft und Demokratie gleichzeitig ein, was Chancen und Gefahren beinhaltet. Wir glauben, dass in der Zeit der Ausnahme und des Chaos ein methodisch offenes Denken gefordert ist, dass sich zugleich nicht in der neuen Situation auflöst, sondern an bewährten Kategorien festhält. Wir wollen so vorgehen und uns – abseits der Weiterlesen Die Welt nach Corona wird jetzt ausgehandelt