„Erst mal den Finanzsektor vergesellschaften“

„Erst mal den Finanzsektor vergesellschaften“

Foto: Philipp Plum für der Freitag

„Warum sollten wir jungen Leute den Kapitalismus unterstützen?“ Gute Frage, Grace Blakeley

Grace Blakeley ist Ökonomin und erst 26, aber auf bestem Wege, in Großbritannien zur Stimme einer Generation zu werden: jener Millennials nämlich, die überzeugt sind, dass in einem der kapitalistischsten Länder der Erde die Zeit reif für den demokratischen Sozialismus ist.

der Freitag: Frau Blakeley, Sie werden als führende Vertreterin des „millennial socialism“ gehandelt. Wie kommt es, dass gerade so viele junge Leute den Sozialismus für sich entdecken? Und dass junge Frauen, man denke an Alexandria Ocasio-Cortez, diese Bewegung anführen?

Grace Blakeley: Nun, warum sollten wir jungen Leute den Kapitalismus unterstützen, wenn wir davon ausgehen können, dass wir in unserem Leben nie irgendeine Form von Kapital besitzen werden?

Nicht aus materiellem Interesse, okay. Aus ideologischen Gründen vielleicht?

Na klar! Vielleicht stehen deshalb vor allem Frauen an der Spitze dieser Bewegung, weil die Logik des Kapitalismus, das „Konkurriere oder stirb“, immer weniger junge Leute im Allgemeinen und junge Frauen im Besonderen überzeugt.

Warum ist die Renaissance des Sozialismus gerade in den USA und Großbritannien so stark?

Ein Grund sind die Hauspreise. Es ist für die jungen Leute in diesen Ländern klar, dass sie nie Wohnungseigentum besitzen werden. Dazu kommt, dass die meisten jungen Menschen nicht damit rechnen, dass es für sie eine Altersversorgung geben wird. Warum sollten wir ein System stützen, das uns keine Perspektive bietet?

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Wir decken auf: TikTok und die Meinungsfreiheit

Quelle: newsletter@netzpolitik.org

Rein statistisch gesehen hat fast jeder achte Mensch auf der Welt einen Account bei TikTok. Aber bisher war wenig darüber bekannt, wie das chinesische Unternehmen im Maschinenraum arbeitet. Wir konnten in dieser Woche mehr Einsichten an die Öffentlichkeit bringen. In ihrer Recherche haben Chris Köver und Markus Reuter jetzt gezeigt, dass es TikTok mit der Meinungsfreiheit nicht ganz so genau nimmt. Sie konnten interne Moderationsregeln einsehen und haben festgestellt, dass bestimmte Inhalte systematisch unterdrückt werden. Proteste, LGTBQI-Inhalte und andere tendenziell „problematische“ Posts sind deshalb bislang kaum sichtbar. Die Plattform möchte gute Laune, keine Politik oder kontroverse Diskussionen. Der Artikel ist auch in englischer Fassung verfügbar.

Im zweiten Teil ihrer Recherche, die auch auf Englischverfügbar ist, zeigen Markus und Chris, dass TikTok ebenfalls sehr empfindlich reagierte, wenn Kritik an der Plattform geäußert oder Konkurrenten genannt werden. Solche Inhalte führten dazu, dass die Reichweite eines Videos stark eingeschränkt wird. Der nächste Teil erscheint am kommenden Montag.

Aufgrund dieser Art Inhalte nach intransparenten Kriterien hervorzuheben oder runter zu spielen wirft Markus Beckedahl TikTok vor, so „intransparent wie bisher kein anderer marktdominanter Konkurrent“ vorzugehen und dabei eine neue Dimension der Inhaltskontrolle zu zeigen.

Antifaschismus ist Verfassungsauftrag!

VDJ fordert sofortige Aufhebung der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN

VDJ fordert sofortige Aufhebung der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN

Gerade in Zeiten, in denen rechte Gesinnung zunehmend „gesellschaftsfähig“ wird und in die Mitte der Gesellschaft vorstößt, ist antirassistisches und antifaschistisches Engagement überlebenswichtig, um den offenen Meinungsdiskurs zu verteidigen und demokratische Räume zu erhalten. Insofern kann auch nicht zwischen sog. „gutem“ und „schlechtem“ Antifaschismus unterschieden werden.

Wenn nunmehr das Berliner Finanzamt für Körperschaften I gerade der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten in der Bundesrepublik Deutschland (VVN-BdA) e.V. die Gemeinnützigkeit im Sinne des Steuerrechts aberkennt, wird dadurch eine Vereinigung, die sich bisher herausragend gegen Rechts engagiert hat, nicht nur in ihrer Existenz bedroht, sondern auch das Wirken der Überlebenden des Holocausts und der Nachgeborenen gegen Faschismus und Krieg diskreditiert.

Soweit das Berliner Finanzamt sich zur Begründung seiner Entscheidung ausgerechnet auf den bayerischen Verfassungsschutzbericht 2016 und ausschließlich auf die dortige Verschlagwortung im Anhang bezieht, in der die VVN-BdA als Organisation des „Linksextremismus“ gelistet ist, widerspricht das auch den Bewertungen im Verfassungsschutzbericht selbst, wonach die VVN-BdA als „linksextremistisch beeinflusste Organisation“ bezeichnet wird. Das ist eine vollkommen unbestimmte Bewertung, die im Bericht selbst keine Grundlage findet und keine eigene Tatsachenfeststellung ist, die so eine Entscheidung überhaupt tragen könnte.

Insoweit hat das Finanzamt Oberhausen-Süd in einer Entscheidung im Oktober 2019 zum nordrhein-westfälischen Landesverband die Sache anders gesehen und die Gemeinnützigkeit bestätigt.

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Widerstand gegen NATO-Manöver DEFENDER 20 formiert sich

Im April und Mai 2020 plant die NATO eines der größten Manöver von Landstreitkräften in Europa seit Ende des Kalten Krieges. Mit insgesamt 37000 Soldatinnen und Soldaten aus 16 NATO-Staaten sowie aus Finnland und Georgien wird eine neue Dimension umweltschädigender militärischer Aktivitäten erreicht. Bis zu 20000 US-GIs mit entsprechendem schwerem Gerät werden über den Atlantik und anschließend quer durch Europa an die russische Grenze transportiert. Ziel des Manövers ist neben der Zurschaustellung militärischer Überlegenheit die Demonstration einer blitzschnellen Verlegung kampfstarker Großverbände aus den USA an die NATO-Ostflanke.  Deutschland wird zur Drehscheibe der Truppenverlegungen mit dem neuen Joint Support and Enable Command der NATO in Ulm, den Umschlaghäfen Bremerhaven und Nordenham sowie den Convoy Support Centern in Garlstedt (Niedersachsen), in Burg (Sachsen-Anhalt) und auf dem sächsischen Truppenübungsplatz Oberlausitz. Geleitet wird das Manöver über Weiterlesen Widerstand gegen NATO-Manöver DEFENDER 20 formiert sich

Antifaschismus ist gemeinnützig

Erklärung der Mitgliederversammlung der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative

Mit großer Besorgnis um die demokratische Kultur, die Aufklärung und den antifaschistischen Konsens des Grundgesetzes hat die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Bundesvereinigung der VVN-BdA(Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) zur Kenntnis genommen.

Das Internationale Auschwitz Komiteehat diesen Vorgang zu Recht als Skandal bezeichnet, der das europäische Engagement gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus erheblich schwächt. Wir protestieren entschieden gegen diese Aberkennung. Die wichtige aufklärerische Bildungsarbeit der VVN-BdA leistet angesichts wachsender rechtsradikaler und faschistischer Gefahren einen unverzichtbaren Beitrag zur Stärkung der Demokratie.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist es beunruhigend, dass einzelne Finanzämter bestimmten Organisationen wie Attac oder VVN-BdA die Gemeinnützigkeit absprechen, deren Beitrag zu einem demokratischen, friedlichen Umgang miteinander außer Frage steht. Diese Werte sind die Grundlage wissenschaftlicher Arbeit.

Die Berufung Weiterlesen Antifaschismus ist gemeinnützig

Gemeinnützigkeit

Die Gemeinnützigkeit ist in aller Munde. Dabei geht es zum einen um den Entzug der Gemeinnützigkeit für die VVN-BdA und zum anderen um die von Attac und Campact. Rechtlich beruht dies auf verschiedenen Regelungen in der Abgabenordnung. Bei der VVN-BdA geht es um § 51 Abs. 3 S. 2 Abgabenordnung (AO), bei Attac und Campact geht es um § 52 AO.

Was hat es nun  mit der Gemeinnützigkeit und insbesondere mit der Gemeinnützigkeit in der Abgabenordnung auf sich? Im Jahr 2006 gab es ein Gutachten zum Thema abgabenrechtliche Privilegierung gemeinnütziger Zweckebeim Bundesministerium für Finanzen. Dort heißt es unter anderem:

„Ein wesentliches Organisationsmerkmal der Gemeinnützigkeit im steuerrechtlichen Sinn ist der Verzicht auf eigennützige Gewinnverwendung. Diese Selbstverpflichtung, durch die sich die gemeinnützigen Körperschaften vor allem von der gewinnorientierten Privatwirtschaft unterscheiden, ist nach der Abgabenordnung das wesentliche Kriterium für die Gewährung bedeutender steuerlicher Privilegien.“ 

Es wird darauf hingewiesen, dass der § 52 Abs. 2 AO eine nicht abschließende Aufzählung beinhaltet (S. 10).  Demnach dürfte es ja eigentlich keine Probleme mit der Gemeinnützigkeit von z.B. Attac und Campact geben. Doch das sah der Bundesfinanzhofanders. Dazu gleich mehr.

Überraschend Weiterlesen Gemeinnützigkeit

Antifaschismus ist gemeinnützig Antifaschismus ist unteilbar

Pressemitteilung Nr. 7 vom 26. November 2019

Pressemitteilung Nr. 7 vom 26. November 2019

Die VVN-BdA steht seit ihrer Gründung kurz nach der Befreiung vom Faschismus für die Erfüllung des Schwurs von Buchenwald vom 19. April 1945. Das KZ Buchenwald steht für den gemeinsamen entschlossenen antifaschistischen Widerstand von Häftlingen und zeigt, dass selbst unter den widrigsten Bedingungen Faschismus besiegt werden kann, wenn Antifaschistinnen und Antifaschisten zusammenstehen.

Das ist politisches Allgemeingut, nachzulesen auf der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung, einer Institution des Bundesministeriums des Innern:
»Buchenwald erinnert nicht nur an die Grausamkeiten des NS-Terrors, sondern auch an den selbstorganisierten Widerstand der Gefangenen. Im Lager waren Antifaschisten aus zahlreichen europäischen Ländern interniert: Intellektuelle wie Stéphane Hessel aus Frankreich, der Schriftsteller und spätere spanische Kulturminister Jorge Semprún, drei ehemalige französische Ministerpräsidenten und andere sozialdemokratische, kommunistische und konservative Politiker sowie Geistliche. Sie etablierten in Buchenwald konspirative Netzwerke wie beispielsweise das kommunistische ›Internationale Lagerkomitee‹ und versuchten, die Gewaltexzesse der SS im Rahmen des Möglichen einzudämmen. […] Um den Opfern zu gedenken, kamen die Überlebenden am 19. April 1945 zusammen, um gemeinsam den Schwur von Buchenwald abzulegen: ›Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.‹«.

Das Berliner Finanzamt für Körperschaften hat der Bundesvereinigung der VVN-BdA Ende Oktober 2019 die Gemeinnützigkeit aberkannt und Steuerforderungen im fünfstelligen Bereich angekündigt und bedroht damit die VVN-BdA in ihrer Existenz. Es setzt damit in einer Zeit, in der sich nationalistische und faschistische Ideologie ausbreitet und wieder eine Partei gefunden hat, ein ganz anderes – gefährliches – Signal. Unter ausschließlicher Bezugnahme auf die politische Argumentation des CSU-beeinflussten bayerischen Verfassungsschutzes, die VVN-BdA sei die »bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus« und in der VVN-BdA werde ein »kommunistisch orientierter Antifaschismus« verfolgt, beweist das Finanzamt, dass es die Lehren aus dem deutschen Faschismus nicht zu teilen bereit ist.

Gabriele Heinecke vom Bundesvorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsvereins erklärt dazu:
»Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die VVN-BdA ist politisch ungeheuerlich und juristisch ein Verstoß gegen die Verfassung. Wer heute behauptet, es gebe ›verschiedenen‹ Antifaschismus, von dem der eine gut und der andere schlecht und finanziell auszutrocknen sei, will die deutsche Geschichte und die Tatsache vergessen machen, dass Widerstand gegen Faschismus nur dann erfolgreich sein kann, wenn er vielfältig, international und unteilbar ist. Die Entscheidung ist sofort rückgängig zu machen. In diesem Zusammenhang fordert der RAV die Streichung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO, wonach die Finanzämter widerlegbar davon ausgehen können, dass ein Verein, der in einem Verfassungsschutzbericht erwähnt wird, nicht gemeinnützig ist«.

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Esther Bejarano kritisiert Gemeinnützigkeits-Entzug von Verein

Die Holocaust-Überlebende fordert Bundesregierung auf, Entscheidung rückgängig zu machen

Esther Bejarano Foto: Gesche M. Cordes

Die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano hat die Bundesregierung aufgefordert, gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) vorzugehen.

»Als zuständiger Minister der Finanzen fordere ich Sie auf, alles zu tun, um diese unsägliche, ungerechte Entscheidung der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Arbeit der VVN-BdA rückgängig zu machen und entsprechende Gesetzesänderungen vorzuschlagen«, schrieb Bejarano in einem offenen Brief an Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der am Montag veröffentlicht wurde.

«kränkung» Die 94-jährige Ehrenvorsitzende der VVN-BdA bezeichnete die Entscheidung vor dem Hintergrund alltäglicher rechtsextremer Bedrohungen als »Kränkung«. »Das Haus brennt – und Sie sperren die Feuerwehr aus!«, schrieb sie.

Die Vereinigung wurde von Überlebenden der deutschen Konzentrationslager gegründet, nimmt aber auch jüngere Antifaschisten auf. Das Berliner Finanzamt für Körperschaften I hatte dem Verein die Gemeinnützigkeit entzogen, weshalb ihm nun nach eigenen Angaben hohe Steuernachzahlungen drohen. In einem Schreiben des Finanzamts wird die Entscheidung damit begründet, dass der Verein in den Verfassungsschutzberichten Bayerns seit Jahren als linksextreme Vereinigung geführt wird.  dpa