Das schlechte Ergebnis der LINKEN bei der Europawahl ist kein Ausdruck einer zu großen Öffnung der Partei für neue Bewegungen und Milieus – im Gegenteil
Mehr Mut auf Social Media, mehr Provokation im Wahlkampf, mehr Konzernkritik auf der Straße: Die LINKE sollte konfliktbereiter und inhaltlich klarer auftreten, meint Jan Schlemermeyer.
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Manchmal kommen sie wieder. Seit der Europawahl mehren sich Stimmen, die das enttäuschende Ergebnis als Resultat der Öffnung für urbane Milieus und soziale Bewegung interpretieren. Gegen das Konzept einer »verbindenden Partei in Bewegung« (Kipping/Riexinger) fordern sie eine Rückkehr zum Markenkern der LINKEN (»Arbeit und Frieden«). So plädiert die Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann, dass die LINKE »nicht die Grünen imitieren« solle. Denn wenn »die Leute Umweltpolitik wichtig finden, wählen sie eher das Original«. Der Soziologe Wolfgang Streeck erklärt gleich die »proeuropäische Ausrichtung« eines Großteils der Linkspartei in Europa zum Problem. Dagegen sei eine doppelte Rückbesinnung nötig: Zurück zum Nationalstaat und weg von den »postmodernen Themen« wie Gleichberechtigung, Ökologie und Antirassismus. Und Aufstehen-Aktivist Rainer Balcerowiak konstatiert mit Blick auf den linken Wahlkampf sogar eine »Konzentration auf Gender- und Identitätsthemen«. Diese Einschätzungen überzeugen nicht.
Angesichts der inhaltlichen Aufstellung der europäischen Linksparteien kann erstens von einem proeuropäischen Kurs keine Rede sein. Die Gemeinsamkeiten sind jenseits linker Basics insgesamt eher schmal. Zwischen der explizit EU-kritischen »La France Insoumise« und der LINKEN etwa lagen große Unterschiede – trotzdem erreichten beide enttäuschende Wahlergebnisse. Zweitens ist unklar, weshalb soziale Gerechtigkeit, zum Beispiel in Hinblick auf die Energiewende, nicht auch ein ökologisches Thema sein soll.
Der »Markenkern« der LINKEN liegt schließlich in einem verbindenden Ansatz: den Oben- und Unten-Konflikt zu benennen und überall die Klassenfrage Weiterlesen Handbremse lösen!