Moshe Zuckermann über Israel, falsch verstandene Solidarität und ein Problem der Deutschen
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Herr Zuckermann, haben Sie Ihre neue Streitschrift explizit aus Ingrimm verfasst, weil auch Sie als israelischer Staatsbürger mit jüdischen Wurzeln zuweilen als »Antisemit« beschimpft werden?
Natürlich ist mein neues Buch auch erfahrungsgesättigt, biografisch unterfüttert. Aber mich interessiert das Phänomen der Instrumentalisierung des Antisemitismusvorwurfs generell. Wenn man als Israeli auf die Knechtung der Palästinenser hinweist, gilt man als Israelhasser oder selbsthassender Jude.
Moshe Zuckermann
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Moshe Zuckermann, Jg. 1949, ist Professor für Geschichte und Philosophie an der Universität Tel Aviv. In diesem Herbst brachte der Kritiker der israelischen Politik und Gesellschaft eine neue Streitschrift auf den Buchmarkt, die sich speziell an deutsche Leser wendet: »Der allgegenwärtige Antisemit oder die Angst der Deutschen vor der Vergangenheit« (Westend, 256 S., br., 20 €). Mit dem marxistischen Wissenschaftler sprach in Berlin Karlen Vesper.
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Sie sind in Tel Aviv geboren, mit ihren Eltern 1960 in die Bundesrepublik übergesiedelt und mit 21 Jahren nach Israel zurückgekehrt. Was bewog Sie zu diesem Schritt?
Ich war damals noch Zionist. Meine Eltern sind als Holocaustüberlebende 1948 nach Palästina eingewandert. Mein Vater stammte aus Lodz, meine Mutter aus einem Dorf nahe Lublin. Beide haben 90 Prozent ihrer Familie verloren. Die Kibbuzim waren aber letztlich für mich keine Option, denn ich bin Marxist. Für mich ist der Sozialismus nicht in kleinen Oasen zu verwirklichen. Die Kibbuzim waren natürlich eine wichtige Etappe Weiterlesen Die Crux mit dem abstrakten Juden